Gesehen, gelesen… Dawid Tomaszewski im Kunstgewerbemuseum Berlin

Ein Generationenkonflikt? Rebelliert hier einer gegen Designer:innen, die vom Alter her seine Eltern sein könnten? Unweigerlich muss ich bei Dawid Tomaszewskis Motto, “More is More. Less is Shit”, das als Neoschrift am Eingang zur Ausstellung steht, an Vivienne Westwood denken: “Less is More.” Westwood lehrte zur selben Zeit an der UDK, als Tomaszewski dort studierte.

Er ist viel herumgekommen, bevor er 2009 sein Label in Berlin gründete. Geboren in Danzig, Modedesign-Studium in London und Berlin, Kunstgeschichte in Poznań… Nicht zuletzt war er Assistent bei Rei Kawakubo/Comme des Garçons. Anlass der Ausstellung Excess in Elegance (noch bis zum 6. Oktober) ist Tomaszewskis Schenkung für die Modegalerie des Kunstgewerbemuseums. Gezeigt werden Modelle aus dem 15jährigen Bestehen seines Labels, Couture und Streetwear, wobei der Fokus eindeutig auf Erstem liegt.

Die Neuzugänge werden nicht in der Modegalerie gezeigt, sondern in den anderen Sammlungen des Hauses platziert. Diese Art der Präsentation kommt mir bekannt vor, gerade wenn Designer:innen selbst kuratieren; vielleicht auch ein Versuch, neue Besuchergruppen für die etwas im Schatten stehenden Sammlungen des Kunstgewerbemuseums zu erschließen. Also begeben wir uns einmal mehr auf die Suche nach den Exponaten…

Zur Ausstellung gibt es einen Audioguide (allerdings erst auf meine Nachfrage!), auf dem Tomaszewski selbst über seine Arbeit und sein Leben spricht. Tomaszewskis Plauderton passt zu einem entspannten Museumsbesuch – wir hatten uns sonntags nach dem Frühstück auf den Weg dorthin aufgemacht.

Die Ausstellung ist nicht chronologisch angeordnet, sondern gliedert sich in verschiedene Motive, die bei Tomaszewski Kollektionen übergreifend eine Rolle spielen, wie bestimmte Stoffe und Muster, z. B. das “Wiener Geflecht” oder seine Vorliebe für Federn, Brokat, Tüll und Seidenchiffon.

Das anfangs erwähnte Motto (More is More) bezieht sich nicht wie bei Westwood (Less ist More) auf den Umgang mit Bekleidung, sondern auf Entwurf und Herstellung. Tomaszewskis Couture-Modelle verschlingen z. T. erstaunliche Meterzahlen an Stoff. Er selbst beschreibt seinen Stil als “minimalistische Opulenz”. Ich würde ihn einfach nur als opulent bezeichnen. Der Minimalismus darin scheint mir ein Zugeständnis an Berlin, wo man sich eher “rough & edgy” gibt, statt flamboyant und feminin. Ich sage nur Lieblingsfarbe Schwarz. Tomaszewskis Kollektionen werden übrigens im Laufe der Jahre erst farbenfroher, anfangs bevorzugte er auch Schwarz, Weiß, Creme.

Sicherlich bin ich als Wahlberlinerin nicht ganz objektiv. Was ich an Tomaszewski mag wie bei anderen Berliner Labels auch, dass sie sich ihre Unabhängigkeit bewahren und eben auch Unternehmer:innen sind; im internationalen Vergleich sind nicht wenige Designer:innen nur mehr Angestellte von Luxuskonzernen. Produzieren tut Tomaszewski übrigens in Berlin und in Polen. Was ich interessant finde, ist sein Spagat zwischen Kunst und Kommerz: Die Couture-Modelle sind tatsächlich sehr (kunst-)handwerklich, zugleich macht er bezahlbare RTW (auch wenn ich sicherlich kein Freund vom Teleshopping werde). Nicht zuletzt hat mich Tomaszewskis Umgang mit Krisen beeindruckt: Zwischenzeitlich hatte er sein Unternehmen verloren. Anstatt Rückzug in die Schmollecke und Publikumsbeschimpfung, wie man es bei vielen sieht, denen Vergleichbares passiert, hatte er den Mut neu anzufangen.

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6 Kommentare

  1. Sehr interessant und nie von diesem Designer gehört, danke für den Rundgang, liegen Gruß, Anja

    • Gern! Vielleicht liegt es neben dem Lokalkolorit am Alter von Tomaszewski. Berliner Designer:innen, wie bspw. auch Esther Perbandt, William Fan oder Marina Hoermanseder sind alle in den 1970ern und 1980er Jahren geboren. Mal zum Vergleich: einer meiner Lieblingsdesigner wie Dries van Noten ist Mitte 60 und gerade in “Rente” gegangen.
      Dank Dir & lieben Gruß Manuela

  2. Mir geht es wie Anja, von dem Designer habe ich bisher nichts mitbekommen.
    Daher, merci für die Vorstellung .
    Zumindest Esther Perbandt kenne ich durch Making The Cut.
    Lieben Gruß von Susanne

    • Die Staffel von “Making The Cut” habe ich damals auch gesehen. Ich hätte ihr gewünscht, dass sie gewinnt, fand jedoch beeindruckend, dass sie auch unter Druck sich eine gewisse Sperrigkeit bewahrt hat.
      Dank Dir & herzliche Grüße Manuela

  3. Noch nie gehört von dem Designer, aber ich bin jetzt auch nicht so Coutureaffin. Marina Hoermanseder kenne ich allerdings, die wird in ihrem Heimatland Österreich dann doch ab und zu mal erwähnt. Jedenfalls danke fürs mitnehmen, wann komme ich schon mal zu einer Ausstellung in Berlin.
    Liebe Grüße, heike

    • Manuela

      Wenn hier von österreichischen Designer:innen die Rede ist, dann denken die meisten zuerst an Lena Hoschek, vielleicht wegen der Inspiration durch die Tracht. Marina Hoermanseder wie auch Flora Miranda (Seierl) haben dabei wenige auf dem Schirm, vielleicht auch weil sie in Berlin bzw. Antwerpen arbeiten und leben. Dabei können österreichischen Designer:innen nicht nur Tracht, sondern auch Dekonstruktion… 😉
      Herzlichen Dank & liebe Grüße, Manuela

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