Vorletzten Freitag hat das Kunstgewerbemuseum Berlin nach fast dreijährigem Umbau wiedereröffnet. Über das Wochenende hatte ich Besuch von meiner Freundin J. aus München. Was uns bewog hinzugehen?

Mit der Wiedereröffnung zeigt das Museum erstmals die Sammlung von Martin Kramer & Wolfgang Ruf, die Kleidung vom 18. bis heute umfasst. Um die Kollektion angemessen in Szene zu setzen, ist der umstrittene Museumsbau eigens umgebaut und eine “Modegalerie” eingebaut worden …

Und so flanierten Freundin J. und ich durch die Geschichte der europäischen Mode – angefangen mit den Krinolinen des Biedermeier über Charles Frederick Worth, dem Erfinder der Haute Couture, der als Erster in seine Entwürfe seinen Namen einnähen ließ, zu den großen Designern Anfang des 20. Jahrhunderts: von Paul Poiret, der Frauen schon nicht mehr ins Korsett zwängte, zu  seiner Konkurrentin Coco Chanel mit ihrer schnörkellosen Eleganz, von dort zu Elsa Schiaparelli, Chanels Rivalin, die Frauen einen Lobster als Hut auf den Kopf setzte…

Leider habe ich vor lauter Aufregung wenig brauchbare Fotos gemacht. Okay zugegeben, ich habe mich auch mit Freundin J. verquatscht. Mehr Bilder gibt es z. B. bei Blindbild.

Die Entwürfe reihen sich chronologisch aneinander in raumgreifenden Vitrinen, die laut Pressemitteilung an Schaufenster erinnern sollen. Mich nicht, ehrlich gesagt. Dafür finde ich die Präsentation von rund 130 Kleidern auf Schneiderpuppen, oft getrennt von den dazugehörigen Accessoires wie Schuhe, Stümpfe und Hüte zu puristisch. Man braucht nur einmal eine Einkaufsmeile in einer x-beliebigen Großstadt entlang laufen, um festzustellen, dass in den Schaufenstern die Produkte zugunsten der Inszenierung von Themenwelten in den Hintergrund treten – und das seit längerem.

Ausstellungen, die so ambitioniert im Umfang sind (immerhin drei Jahrhunderte), setzen sich unweigerlich dem Vorwurf aus, einiges vernachlässigt zu haben. Für Michael Eissenhauer, dem Generaldirektor der SMB, versammelt das Kunstgewerbemuseum nun das Who’s Who der Modedesigner. Das macht natürlich die Versuchung groß, den Kuratoren Lücken bei der Auswahl nachzuweisen. Auch ich kann nicht widerstehen. Mehr an der Mode des 20. Jahrhunderts interessiert, habe ich für die zweite Jahrhunderthälfte schon einige Namen vermisst: Wo sind z. B. Rei Kawakubo und Yohji Yamamoto, deren Schauen Anfang der 1980er Jahre in Paris einen Skandal auslösten, die punkigen Kreationen einer Vivienne Westwood, oder zeitweise das Enfant terrible der Branche, Alexander McQueen?

Allerdings ist aktuell nur ein Bruchteil der Sammlung von Kramer & Ruf zu sehen. Da die Exponate aufgrund ihrer Lichtempfindlichkeit nicht lange ausgestellt werden können, darf man sich also auf wechselnde Ausstellungen freuen. (Update: Ich war mehr als zwei Jahre später wieder da und konnte keine Veränderung feststellen?!)

Für zukünftige Schauen würde ich mir eine weniger puristische Präsentation bzw. mehr Kontextualiserung der Exponate wünschen: Zum einen bin ich nicht Experte genug, um allein aus dem Studium von Material, Schnitt und Verarbeitung Befriedigung zu ziehen. Zum anderen beschränkt sich Mode nicht nur auf Kleidung. Wenigstens ist sie, wie es Barbara Vinken einmal so wunderbar auf den Punkt gebracht hat, ein “Kommentar in Kleidern über Kleider“. Schiaparelli antwortet auf Chanel, Chanel auf Poiret…

Man könnte aber noch viel weiter gehen: Mode ist weit mehr als die Summe glamouröser Roben in historischer Abfolge. Sie präsentiert sich in Form von Zeichnung, Fotografie, Performance; ist ein Spiel mit Geschlechterrollen und Schönheitsidealen, liegen doch zwischen Lauf- und Gehsteig oft Welten; Mode ist eine Sprache, die über das Bedürfnis ihrer Träger nach sozialer Zugehörigkeit oder Abgrenzung spricht, Kleider machen bekanntermaßen Leute; Mode ist Kunst, Handwerk, und nicht zuletzt eine Industrie, die ihre Schattenseiten hat…

Kurzum, bei der nächsten Ausstellung würde ich mir mehr Verweise auf den jeweiligen Zeitgeist bzw. eine stärkere kulturhistorische Einbindung der Exponate erhoffen. Und wenn Modeschöpfungen schon wie Kunstwerke präsentiert werden, warum nicht einmal Wechselwirkungen zwischen Mode und Kunst thematisieren? Warum z. B. Schiaparelli nicht zusammen mit dadaistischen und surrealistischen Künstlern zeigen, mit denen sie befreundet war?