Der Berliner Salon (Gesehen, gelesen…)

Zum Monatsspaziergang im Februar nehme ich Euch dieses Mal auf einen Ausstellungsrundgang in die Gemäldegalerie mit, welche die Sammlung der Alten Meister (13.-18 Jh.) beherbergt. Bis zum 23. Februar gastierte dort unter dem Titel Mode trifft Meisterwerke der Berliner Salon (ehemals Vogue Salon).

Der Berliner Salon ist ein Ausstellungsformat, das im Rahmen der Berliner Fashion Week stattfindet und von Christiane Arp, der ehemaligen Chefredakteurin der deutschen Vogue ins Leben gerufen worden ist. Seit einiger Zeit ist der Berliner Salon nicht mehr nur dem Fachpublikum, sondern auch der Öffentlichkeit zugänglich. Gezeigt werden in Deutschland tätige Nachwuchsdesigner:innen, die aus Sicht des Fashion Council Germany als vielversprechend gelten. Dieses Mal wurden 55 Designer:innen ausgewählt. Im Gegensatz zu anderen Branchen kann sich die Mode nicht gerade über einen Fachkräftemangel beklagen…

Solche Gegenüberstellungen von Kunst und Mode sind nicht neu und waren in letzter Zeit öfters in Berlin zu sehen (z. B. hier und hier). Auch wenn es sicherlich effektvoll ist, frage ich mich, was solche Ausstellungsformate sollen und wollen. Versucht die Mode dem Vorwurf der Oberflächlichkeit zu entkommen? Vermutlich ist das Ziel gewesen, sich wechselseitig neue Besucher- und Käufergruppen zu erschließen: der Sammlung der Alten Meister ein jüngeres Publikum und den Nachwuchsdesigner:innen zahlungskräftige Konsument:innen. Wenn es aufgeht, ein Win-Win.

Die Bezüge, die zwischen den Gemälden und den Kleidungsstücken hergestellt wurden, waren eher oberflächlicher Natur, und das im wortwörtlichen Sinne. Ausgelotet wurden visuelle Gemeinsamkeiten: ähnliche Farben, Motive (z. B. Lichteinfall und Transparenz), Kleidungsstücke (z. B. der Reifrock), Volumen oder Schnittdetails.

Der Fashion Council (so der Name des Vereins um Arp) hat es sich zur Aufgabe gemacht, “designed in Germany” zu fördern und die “hohe Handwerkskunst” deutscher Mode zu vermitteln.

Bezogen auf dieses Ziel wirkte sich die Location nicht immer günstig aus. Sozial aufgestiegene Bürger:innen der Renaissance z. B. demonstrierten ihren Reichtum und ihre Macht gerne damit, sich in kostspieliger Kleidung porträtieren zu lassen. Textilien waren ein beliebtes Statussymbol dieser Zeit. So pinselten die Maler hingebungsvoll an ausgefallenen Brokat-Mustern, Stickereien, samtweichen Wollstoffen, filigranen Spitzen, Fellbesätzen usw.. Bisweilen geriet dabei das eigentliche Thema des Bildes, sei es Porträt oder religiöse Szene, aus den Augen. Dagegen bemühen sich heutzutage viele Designer:innen angesichts des Klimawandels gerade um Materialsparsamkeit und Recycling, was ihre Entwürfe in dieser Kulisse mitunter etwas billig wie eine Arte Povera Version der Haute Couture wirken ließ.

Am meisten im Gedächtnis geblieben sind mir die Entwürfe von Jing-Jie Huang und Angelique Dins, die Dekonstruktion der Dior-Silhouette und des Trenchcoats sowie die Bomberjacke mit dieser überproportionalen Stoffblume. Aber auch das Lotre Studio (Luisa Lauber & Taskin Goec), das Stricken und KI miteinander verbindet, hat mir sehr gefallen. Zu meiner freudigen Überraschung war die Gemäldegalerie an diesem Tag gut besucht. (Die Fotos täuschen, ich habe versucht, die Persönlichkeitsrechte der anderen Besucher:innen zu wahren.) Mehr Informationen zu den einzelnen Designer:innen findet Ihr hier.

Beim Monatsspaziergang geht es ja ums Fotografieren. Als gelungenstes Bild aus dieser Serie empfinde ich die Herrschaften, die zwischen den transparenten Kleidern von Karen Jessen stehen und das Gemälde Der Jungbrunnen von Lukas Cranach d. Ä. (1546) betrachten. Cranach malte das Gemälde mit über 70 Jahren. Es ist eine Art Wimmelbild: Von links werden die Alten zum Jungbrunnen gekarrt, dem sie rechts als junge und schöne Frauen entsteigen. Es baden tatsächlich nur Frauen in der Quelle. Bei dem Gemälde handelt es sich um eine populäre Männlichkeitsfantasie des 16. Jahrhunderts. Es herrschte die Vorstellung vor, dass sich ein Mann bereits in der Gesellschaft einer jungen Frau verjüngt.

In Anbetracht dessen, dass wir auf der internationalen Bühne gerade die Rückkehr männlicher Maulhelden erleben, lässt sich fragen, ob dies wirklich ein Phänomen von gestern ist… Ein Gutes hat es, meinte meine Mutter am Telefon: Nun gebe es wieder genügend Stoff für Männerparodien, um diesen selbst ernannten Parademännchen die Luft abzulassen. Wenigstens in der Weiberfastnacht, die übrigens heute ist.

Berlin war am Tag unseres Ausstellungsbesuchs noch ein Winterwonderland, weshalb wir im Anschluss daran in Richtung Tiergarten spaziert sind…

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4 Kommentare

  1. Ein interessanter Rundgang durch diese spezielle Ausstellung. So ganz bin ich nicht überzeugt vom Konzept. Vermutlich, weil mir das bloße Hineinstellen von Kleiderpuppen in die Mitte eines Museumsraumes nicht ausreicht. Schade eigentlich für diese doch etwas vertane Chance. Da hätte man mehr draus machen können. Denn die gezeigten Modelle sind durchaus sehenswert. Gerade die schwarzen Teile zum Schluss und auch der Reifrock aus alten Jeans haben es mir angetan. Die Besucher der Ausstellung schienen dann auch nur an den Gemälden und nicht wirklich an den Modepuppen interessiert zu sein. Zumindest wirkt es so. Nichtsdestotrotz habe ich dich gerne begleitet.
    Der Jungbrunnen ist nicht nur eine populäre Männlichkeitsfantasie des 16. Jahrhunderts, es scheint sich nichts daran geändert zu haben dass sich so mancher Mann ausreichend verjüngt fühlt durch eine junge Frau. Aber bitte nur als Dekoobjekt. Gott bewahre, dass die jungen oder überhaupt die Frauen mitreden und mitbestimmen wollen. Oder gar in der Politik mitmischen. Nicht nur international kehren die alten weißen Männer, ob mit oder ohne überbordendem Geltungsbedürfnis, zurück. Die Luft rauslassen, ja, das wäre nötig. Und nicht nur am Weiberfasching.
    Liebe Grüße, heike

    • Ich befürchte, da wieder die Luft rauszulassen, wird ein größeres Projekt…
      Der Reifrock aus Jeans von Silja Meise war der Publikumsliebling und wurde viel fotografiert. Anders als meine Kritik und Fotos vielleicht vermuten lassen, wurde die Ausstellung gut angenommen. Ich habe tatsächlich immer die Sekunden abgepasst, wo niemand im Raum war oder wenigstens nicht zu identifizieren. Die Fotos, wo mir das nicht gelungen ist, zeige ich nicht. Deshalb gibt es leider auch keine Bilder aus der aktuellen Sonderstellung “Von Odesa nach Berlin” zu sehen. Es war einfach zu voll.
      Wenn Du das nächste Mal in der Stadt bist, gehen wir zusammen.
      Dank Dir & liebe Grüße Manuela

  2. Eine schöne Ausstellung und ich freue mich, dass ich hier noch etwas mehr davon sehen kann. Auf Instagram hatte ich es schon mitbekommen. Gemälde oder auch allgemein Kunst können Inspirationsquelle sein für Designer. In meinem Fernstudium Modezeichnen gab es diese Aufgabe und ich kann mir vorstellen, dass man an Modeschulen ebenfalls Spaß dran hat. Ein bisschen was kann man immer mitnehmen in die Gegenwart; ich würde das gar nicht so kritisch sehen. Viele Grüße! Regina

    • Manuela

      Meine Kritik zielte allein auf das kuratorische Konzept der Ausstellung. Weder an der Sammlung der Gemäldegalerie noch an den Entwürfen der Designer:innen gibt es irgendetwas auszusetzen. Und historische Kostüme sind wirklich eine prima Inspirationsquelle. Schön, dass ich mit dem Post Freude machen konnte. Dank dir und liebe Grüße Manuela

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