Time To Fly. Trinity von Vikisews

Das ist es also: das Projekt, das mich den letzten Winter beschäftigt hat. „Passend“ zum Frühjahr war der Mantel endlich fertig – na ja, fast; die Druckknöpfe fehlen bis heute – und dann verschwand er für ein halbes Jahr im Schrank. An diesem Stück habe ich noch länger (vier Monate, um genau zu sein) gesessen als an meinen bisherigen Wintermänteln. Allerdings hatte ich bei den vorherigen Mänteln auch Eure Unterstützung in Form von Sew Alongs (Novemberwetter Sew Along 2018 und #msal20, beide Mäntel sind noch im Gebrauch). Gemeinschaft hilft ungemein, die Durststrecken bei solch großen Projekten zu überstehen – bei mir ist die erste gewöhnlich beim Aufbügeln der Einlagen.

Ich „bräuchte“ übrigens noch einen Trenchcoat und eine Bomber- oder Cabanjacke. Falls jemand Zeit und Lust hat, eine solche Aktion zu hosten: Ich wäre mit dabei.

Schnitt & Stoff

Der Schnitt ist Trinity von Vikisews: ein taillierter Mantel mit Prinzessnähten, angeschnittenem Kragen und einer interessanten Taschenkonstruktion. Vikisews hat ihn aus dunklem Kunstleder genäht. In Verbindung mit dem Namen „Trinity“ erinnert er mich an die gleichnamige Hackerin aus der Matrix-Filmreihe. Als der erste Film 1999 in die Kinos kam, hielt ich ihn für reine Science-Fiction – zu weit weg schien mir die Vorstellung, dass KI die Menschheit versklaven und in einer Traumwelt gefangen halten könne. Nur 22 Jahre später, beim letzten Teil, fühlt sich einiges von dieser Dystopie ziemlich real an…

Mir schwebte allerdings ein grauer Wollstoff für den Schnitt vor. Ein möglichst tristes Grau, passend zum Berliner Winter das sich gut kombinieren lässt. Schließlich landete ich bei einer Art Beton-, Maus- bzw. Scheuertuch-Grau und begab mich vor ungefähr einem Jahr auf die Suche nach dem passenden Stoff. „Bonjour Tristesse“, meinte meine Mutter.

Was ich an der Nähbloggerszene immer geschätzt habe, ist ihre Zurückhaltung, was die Bewertungen anderer betrifft – eine Tugend, die man nurmehr selten (im Netz) findet. So verzogen die beiden Bloggerinnen, die mich bei einigen meiner Stoffzüge begleiteten, auch keine Miene, als ich grau melierte Wollballen auf ihre Eignung hin prüfte; Außenstehende hätten meinen können, dass sich die Stoffe kaum voneinander unterschieden …

Fündig geworden bin ich bei Hüco und habe knapp 4 Meter gekauft. Viel übrig ist nicht geblieben, obwohl ich laut Anleitung nur 3,25 m gebraucht hätte. Anders als bei Burda sind die Mengenangaben bei Vikisews wirklich sparsam kalkuliert.

Gefüttert habe ich Trinity mit schwarzem Venezia und mir eine Futterpaspel sowie einen Aufhänger in goldenem Venezia gegönnt (von Idee). Kurzwaren wie Einlagen und Schulterpolster sind von Yavas.

Größe, Anpassungen & Passform

Ich habe hier zwei Größen und Längen miteinander kombiniert: oben Gr. 42 (162–168), unten Gr. 44 (170–176). Das „Rockteil“ habe ich noch etwas verlängert (daher auch mehr Stoffverbrauch). Ansonsten keine Änderungen.

Anleitung & Schwierigkeitsgrad

Es hat riesig Spaß gemacht, den Mantel zusammenzunähen. Und zwar genau bis zu den letzten zwei Nähten! Trinity wird industriell gefüttert. Das zweite Futterarmloch soll über einen Schlitz im Unterarm zugenäht werden. Alle anderen Nähte sind zu diesem Zeitpunkt bereits geschlossen.

Wie ich die vier Meter Mantel auch drehte und wendete – ich kam einfach nicht an die Stelle ran. Zumindest nicht mit meiner Maschine. Also habe ich Vikisews gefragt, habe ich Euch gefragt. Herzlichen Dank nochmals. Am Ende habe ich den Futterärmel über den Schlitz per Hand eingenäht, und H. den Mantel seinem Schneider mitgegeben mit der Bitte, sich das Ganze als Profi anzuschauen und ggf. nochmals über meine Handnaht zu nähen. Der Schneider gab den Mantel unangetastet zurück – mit einem Jobangebot. Ein schönes Kompliment.

Was gefällt, was nicht? Nochmals nähen? Weiterempfehlen?

Sofern ich mich zu den noch fehlenden Druckknöpfen überwinde, bin ich mit Trinity für den nächsten Kälteeinbruch gerüstet. Mir gefällt der „cleane Look“ des Mantels, abgesehen davon finde ich die geschwungene Schulterlinie und den angeschnittenen Kragen aus konstruktiver Sicht sehr gelungen. Kurzum: Ich kann den Schnitt empfehlen, würde aber eine andere Reihenfolge beim Füttern vorschlagen (z. B. Wenden über den Saum).

Verlinkt beim MeMadeMittwoch. Lieben Dank an das Team für all Euer Engagement!

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23 Kommentare

  1. Oh, ist der schön! Innen wie außen! Die Silhouette, die Taschen, die feine weiße Naht an den Vorderteilen. Und der Gürtel lockert auf, ohne Gürtel würde er vielleicht etwas “schwer” wirken. Wahrscheinlich brauchst du damit gar keine Druckknöpfe mehr 🙂
    Und der Stoff ist ja wohl richtig schön, das ist nicht irgendein grau!
    Liebe Grüße Christiane

    • Herzlichen Dank für Deine lieben Worte, Christiane.
      Was die weiße Naht betrifft: Ich getraue es mir ja kaum zu sagen. Da die Druckknöpfe noch fehlen, habe ich noch nicht alle Heftnähte entfernt. Sie markieren die vordere Mitte. Der Gürtel auf den Bildern hat kein Dorn, weshalb er so gar nicht hält, sobald ich mich bewege… Insofern braucht es perspektivisch die Knöpfe. Ich werde auch noch dezente Gürtelschlaufen mit Knopfloch-Seide machen, wenn ich den Mantel geschlossen mit Ledergürtel trage.
      Lieben Gruß Manuela

  2. Also ich mochte deine Zielstrebigkeit was die Farbe angeht und die Farbbezeichnung Staublappengrau von Beginn an. Deine Stoffwahl ist ein toller Treffer, den ich auch genauso tragen würde. Wir sind also hier auf einer Farbwellenlänge. Oder wie sagt eine Nähfreudin über mich “wenn dir eine Farbe gefällt, finde ich sie immer grässlich”. Aber genau den Punkt machst du hier, unter uns Näherinnen ist das keine Kritik, sondern wir bewundern und unterstützen die Individualität der anderen.
    Dein Mantel ist sehr gelungen, ich liebe auch die Innenseite! Gönn ihm die Druckknöpfe (vielleicht bei einem schönen Film), er hat sie verdient.
    Herzliche Grüße, Tina

    • Kaum zu glauben, dass es schon fast wieder ein Jahr her ist, dass wir zusammen unterwegs waren… Ein schöner Nachmittag!
      Wird vermutlich eher ein Podcast oder Hörbuch. Ich bewundere ja Frauen, die beim Fernseher schauen stricken können… Ich kann das nicht mal ohne.
      Herzliche Grüße Manuela

  3. Wow ist der toll! Er sieht richtig schön kuschelig aus. Grau finde ich eh gut und durch die Prinzessnähte passt er sich wunderbar deiner Figur an. Und der Kelchkragen hält im Winter den Wind vom Hals fern.
    Dass einige Schnittmusterhersteller viel zu großzügige Mengenangaben machen, stelle ich auch gerade wieder fest und finde das extrem ärgerlich, da niemand wirklich mit einem halben Meter Wollstoff wirklich etwas anfangen kann.

    • Ja, das ist es! Ich habe viele solcher Reste von 30-50cm und weiß nicht, was ich damit machen soll. Man sollte sich wirklich angewöhnen, die Schnittteile vorab auf dem Boden auszulegen, selbst nachzumessen und erst dann den Stoff zu kaufen. Soweit die Theorie…
      Dank Dir & liebe Grüße Manuela

      • Der Mantel ist wunderschön und das Grau wirkt lebendig!
        Ich lege tatsächlich oft die Schnittmuster vorher aus: auf der Yogamatte, 70cm breit, die sowieso immer da liegt 🙂 .
        Ich nähe selten mit Wollstoffen. Einmal habe ich aus so einem vermeintlich unnützen Rest einen zipfeligen Miniwickelrock aus der Ottobre genäht und den habe ich immernoch: mein meistgetragener Winterrock!
        LG Anja

        • Auf der Yogamatte die Schnittteile auszulegen ist eine super Idee! Mir ist bisher nie aufgefallen, dass sie 70 cm breit ist. Dank Dir für das Kompliment und den Tipp. Lieben Gruß Manuela

  4. Was für ein schöner, weiter, riesiger, gemütlicher Wintermantel. Dazu dieser schöne, nicht langweilige graue Stoff, ich sehe eine Maserung, eine Struktur, Schlaufenbildung. Wunderbare Details, den würde ich genauso auch anziehen. Im Übrigen sind graue Mäntel am kombinationsfreudigsten und man kann sie einfach jeden Tag anziehen. LG Anja

    • Dankeschön!
      Tatsächlich brauchte ich einen neuen Mantel für alle Tage. Mein schwarzer Mantel sieht nach fünf Jahren an einigen Stellen etwas abgenutzt aus. Den Wollstoff hatte ich am Ufer gekauft…
      Liebe Grüße Manuela

  5. Also erstens ist Grau nicht irgendein Grau, sondern es gibt so viele verschiedene Graus, warme wie kalte, für jede/n ist ein Grau dabei. Und auch Stoff ist nicht gleich Stoff. Deshalb ganz klar, dass man viel sichten und fühlen muss, bis man, gerade für so ein besonderes Teil, genau DEN richtigen Stoff in genau DEM richtigen Farbton findet. Wie toll, dass es dir gelungen ist. Und dann auch noch die Farbgebung beim Innenleben. Ich finde vor allem die goldgelbe Paspel ganz wunderbar. Und den Kelchkragen. Und überhaupt den ganzen Mantel. Über die weiße Heftnaht habe ich kurz gerätselt, dann aber das Fadenende gesehen und auf Heftnaht getippt. Als Ziernaht würde sich das aber auch gut machen, vielleicht in Schwarz statt in Weiß? Die Druckknöpfe schaffst du auch noch, es wäre schade, wenn der Mantel einen weiteren Winter nicht getragen würde.
    Bei Bomber- oder Cabanjacke wäre ich sogar auch dabei, habe da bereits ein paar Schnitte im Auge. Nur das mit dem Hosten wird sich in nächster Zeit nicht ausgehen. Bin schon froh, wenn ich es schaffe beim WKSA mitzumachen. Vielleicht reden wir im neuen Jahr nochmal darüber?
    Liebe Grüße, heike

    • Tatsächlich dachte ich auch eher an das 1. Quartal ’26: Gegen Ende des Jahres weiß ich meistens auch nicht, wo mir der Kopf steht; dann ist der Advent ohnehin für den WKSA reserviert; außerdem denke ich wenigstens bei Trenchcoat und Bomberjacke eher an die Übergangszeit.
      Dank Dir für Deine lieben Worte. Man könnte natürlich auch mal eine gemeinsame Aktion zu Grisaille machen. Vermutlich ist das aber selbst in diesem Kontext zu nerdig.
      Liebe Grüße Manuela

  6. Ich würde es zeitlich nicht schaffen, einen Cabanjacken Sewalong zu hosten, aber wäre auch interessiert 😉
    Dein Mantel ist toll, so ein zeitloses klassisch schönes Teil!

    • Merci.
      Ich täte auch lieber einfach mit nähen aus denselben Gründen, würde mich aber ggf. auch zum Teamwork überreden lassen…

  7. Brigitte

    Hallo, ich habe diesen Blog erst gerade entdeckt, auf der Suche nach einer Anleitung für einen wirklich professionell verarbeiteten Mantel.
    Hier ist er !!!
    Ich finde das Grau ebenfalls sehr schön, – auch den Schnitt. Und ganz besonders gefällt mir, dass er nicht “lappig” wirkt, was bei selbst genähten Mänteln leicht passiert. Ich frage mich, wie man das verhindern kann.
    Wird der ganze Mantel unterlegt mit einer Rosshaareinlage? Von Hand eingenäht? Wo finde ich dazu eine gute Anleitung? Kannst Du mir da einen Tipp geben? Wie hat das Deine Oma gemacht? Ich habe einen Schnitt (merchant & mills) mit Raglanärmeln und frage mich auch, ob ich da Schulterpolster nehmen sollte….Fragen über Fragen……
    Herzliche Grüße, Brigitte

    • Schön, dass Du meinen Blog entdeckt hast.
      Hier habe ich nur Gewebeeinlage sowie Kanten- und Schrägband eingebügelt.
      Ich kenne zwar Deinen Schnitt nicht, würde aber auch bei Raglanärmeln, sofern es ein Wollmantel für den Winter ist, zu Schulterpolstern greifen. Vermutlich würde ich sie auch selber machen – eine Anleitung dafür findet sich in der Burda-Nähschule. Allerdings sieht die Schulterpartie bei Raglanärmeln generell weicher aus, als bei eingesetzten. Falls Du lieber “strukturiert” magst, würde ich die Schnittwahl nochmals überdenken.
      Vor Jahren habe ich mal einen Beitrag zum Innenleben von Mänteln (mit Tipps für Anleitungen) geschrieben. Vielleicht ist er ja hilfreich:
      https://heftstich.net/anatomiestunde-mantel-107-burda-10-2018-work-in-progress/
      Liebe Grüße Manuela

    • Brigitte

      Vielen Dank für die nützlichen Tipps. Ich habe mir beide Bücher bestellt❤️

  8. Großartig siehst du in deinem neuen Mantel aus – der Aufwand, deine Geduld, deine akribische Stoffwahl – haben sich auf jeden Fall mehr als gelohnt!
    Chapeau!
    LG Miriam

    PS: Bei mir stapeln sich auch die 40cm Stoffstücke unterschiedlichster Qualität und keine Idee, was daraus noch werden könnte…

    • Lieben Dank.
      Marie von Fadenwechsel (Blog leider nicht mehr aktiv) hatte mal eine “minimalistische Schnittsammlung” für Stoffreste begonnen. Ich fand das eine schöne Idee.
      https://fadenwechsel.wordpress.com/schnittsammlung/
      Leider ist für Stoffe < 50 cm kein Schnitt dabei. Vielleicht sollte man diese Idee nochmals aufgreifen... LG Manuela

  9. Oh, jetzt erst auf deinen Blog geführt habe ich ordentlich Lesestoff und habe gerade noch etwas Zeit, mir die Ausstellung im Kunstgewerbemuseum anzusehen, die du im Frühjahr beworben hast!
    Nach dem fast barocken Joop wird das wohl eher beruhigend für Augen und Sinne…
    Von dort aus zu diesem Mantelbericht: so toll!! Dass dir die letzte Herausforderung gelungen ist, hat sich gelohnt – ich überlege ernsthaft, wie man meinen ganzen Mantel durch eine Nahtlücke zieht…. Ich lese nach ! Herzlichen Glückwunsch!
    Viele Grüße Susanne

    • Vielen Dank für deinen netten Kommentar – wie schön, dass du zu mir gefunden hast! Ich freue mich sehr, dass dir mein Post gefallen hat und du die Ausstellung noch anschauen kannst. Ich hoffe, sie inspiriert dich genauso wie mich damals (sie wurde übrigens verlängert). Was den Mantel betrifft: Manche Projekte sind wirklich ein kleines Abenteuer. Ich wünsche dir viel Erfolg bei deinen!
      Viele Grüße, Manuela

  10. Liebe Manuela,
    Dein Mantel in diesem wunderschönen, lebendigen Grau ist großartig. Sehr dramatisch. Ich mag diesen schnörkellosen Schnitt und den Kelchkragen sehr.
    Zuerst habe ich gedacht: “Warum hat sie die Heftfäden drin gelassen? Ist das ein Work in Progress?” Als Du dann aber nichts dazu gesagt hast, dachte ich, das soll so, und habe mich nur über den Fussel am Ausschnitt gewundert. So etwas entgeht Dir ja in der Regel nicht.
    Die anderen Kommentare haben dann schnell zur Aufklärung beigetragen. 😀
    Aus Wollstoffresten hat Constanze einmal eine tolle Flickendecke in einer sehr speziellen Technik genäht (https://nahtzugabe.blogspot.com/2013/09/wie-der-zufall-so-spielt.html) und ich habe das gleiche dann auch einmal mit Fleece-Resten gemacht.(https://krautundkleid.com/2020/02/16/der-zuhause-zum-einwickeln-quilt/). Diese Technik geht schnell ( wenn man sich nicht verechnet) und macht richtig Spaß.
    Leider brauche ich nicht wirklich eine neue Jacke, einen Wintermantel schon eher. Man könnte einen Sew-Along ja in einer Gruppe organisieren, und die Arbeit so wie bei den Stoffspielereien auf mehrere Schultern verteilen. Für einen Termin würde ich mich als Host zur Verfügung stellen, das bekomme ich hin. Nähen im Rudel macht so viel mehr Spaß und vielleicht würde ich ja auch einen Mantel schaffen.
    Liebe Grüße, Stefanie

    • Herzlichen Dank für Deine lieben Worte!
      Den Stoff habe ich zum ersten Mal ins Auge gefasst, als wir für Dich die Kunstfelle befühlt und Du Dir den Persianer ausgesucht hast…
      Gemeinsamer Sew Along wäre wirklich schön, allerdings müsste der Zeitplan recht großzügig sein, weil ich an zwei Wochenenden im Januar unterwegs sein werde…
      Lieben Gruß Manuela

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