Spontan würde ich sagen, modetechnisch sind die 1980er Jahre nicht meins, wenigstens was die Rückkehr des “Dressing up” oder “Dress for success” vor dem Hintergrund konservativer Politik betrifft: Weder mag ich Denim in hellen Waschungen, noch die Vorliebe dieser Dekade für grelle Farben und glänzende Materialien wie (Kunst-)Leder, Samt oder Pailletten. Mit dem Aerobic-Hype dieses Jahrzehntes kann ich auch wenig anfangen; um sich in Leggings auf der Straße angezogen zu fühlen, muss man wohl ein Kind der 80er sein (außer man ist auf dem Weg zum Sport). Auch wenn ich die Idee des Powerdressings für Frauen verstehe, gefällt mir die Umsetzung i. d. R. nicht – riesige Schulterpolster in Oversize-Schnitten.

Dementsprechend ließ es mich kalt, als ich las, dass Erika Hoffmann dem Kunstgewerbemuseum einige ihrer Kleider, hauptsächlich aus den 80er Jahren vermacht hat, darunter viele Stücke von Thierry Mugler. (Mode aus Paris. Schenkung Erika Hoffmann, noch bis 14.12.2025 im Kunstgewerbemuseum Berlin.)

Wie kaum ein anderer Designer steht Mugler für die sogenannte V-Silhouette, sprich: überdimensionierte Schultern, die die Taille der Trägerin schmaler wirken lassen. “Glamazonen” eben. Von seinem Parfum Angel, dessen Verkaufszahlen zeitweise die von Chanel Nr. 5 überstiegen, bekomme ich Kopfschmerzen. Außerdem hat mich, wie ich zugeben muss, das durch plastische Chirurgie veränderte Gesicht des Designers irritiert (bis ich wusste, dass Mugler sich infolge eines Unfalls hat operieren lassen).
Am Ende bin ich natürlich doch hingegangen (bereits Anfang April). Zum einen weil sich unter der Schenkung auch ein Stück von Martin Margiela befand, außerdem Erika Hoffmann eines der Mugler-Kleider trug, als sie sich zusammen mit ihrem Mann von Andy Warhol hat porträtieren lassen…
Mein Interesse war geweckt.


Das besagte Doppelporträt (1980) befindet sich heute in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Die Hoffmanns waren Textilunternehmer, ihnen gehörte der Hemdenhersteller Van Laack. Bereits in den 1960er Jahren begann das Ehepaar, zeitgenössische Künstler:innen und Designer:innen zu fördern, bevor es sich nach dem Verkauf ihrer Firma 1985 ausschließlich dem Aufbau ihrer Sammlung widmete. So war auch der Kontakt zu Warhol entstanden.
Ich mag Warhol allein schon für sein Bonmot: “In Zukunft wird jeder 15 Minuten weltberühmt sein.” (1968) Man ist geneigt, “jede:r” zu hören und dabei die Kehrseite zu überhören, wie flüchtig doch die Aufmerksamkeit anderer ist.

Zu meiner eigenen Überraschung gefielen mir die Mugler Sachen von der Schenkung am besten! Besonders die ausgestellten Hemdblusenkleider haben es mir angetan: chic und unprätentiös zugleich.
Fall sich jemand bemüßigt fühlt, einen Hemdblusenkleid Sew Along zu hosten, ich wäre sofort dabei. Wie auch bei der anschließenden Gartenparty…


Die kleine Ausstellung hat bei mir für ein paar Wochen eine Art Mugler-Manie ausgelöst, sodass ich mir viel von ihm angeschaut habe…
Tja, und was soll ich sagen, ein paar Aspekte des Mugler’schen Universums sind total meins. Café de Paris (das erste Label von ihm) ist eine Rückkehr zu den Basics (der Trenchcoat, das kleine Schwarze usw.) gegen die in den 1970er Jahren vorherrschende folkloristische Mode und Boho. Ausnehmend gut gefällt mir, wie Mugler (*1948) die Silhouetten seiner Kindheit aufgreift – die Schultern der 1940er und die Taille der 1950er Jahre – ihnen, aber etwas Nonchalantes gibt. Die Kleider sehen nicht nach Retro-Mode aus – eher zeitlos, als aus der Zeit gefallen.
Mitunter scheinen seine Entwürfe auch nicht von dieser Welt, so wenn Superheldinnen Muglers spektakuläre Fashion-Shows bevölkern, die von Comics und Kabuki beeinflusst sind. Mugler kommt ursprünglich vom Tanz und Kostümdesign und hat im Laufe seiner Karriere viele Bühnenoutfits entworfen (z. B. für David Bowie oder Beyoncé); legendär sein Video für den Song Too Funky von George Michael (hier Mugler Original Director’s Cut).

Und wenn ich mir den Mantel so anschaue, der mich über den Winter beschäftigt hat, scheine ich wohl der V-Silhouette mehr abgewinnen zu können, als mir bewusst war. An dem Mantel fehlen noch Druckknöpfe und zwei Nähte. Die Anleitung sieht eine Variante der industriellen Fütterung vor, bei der die letzte Naht von Futterärmel und -armloch über eine Öffnung im Futterärmel geschlossen wird:

Remove the basting stitches from the unstitched opening in the sleeve. Reach through the unstitched opening on the wrong side and baste the left sleeve lining to the garment lining, right sides together…
Klingt so einfach. Keine Ahnung, wie ich dabei die Naht noch sehen, geschweige denn, unter die Maschine bekommen soll?
Seitdem prokrastiniere ich ausgiebig, was das Nähen betrifft…
Silke
Dankeschön. Ich glaub, ich geh die Woche mal gucken… Klingt interessant.
LG Silke
Manuela
Gern geschehen. Die Ausstellung ist wirklich nicht groß, um genau zu sein, ist es ein Raum. Prima geeignet für zwischendurch.
Dank Dir & Liebe Grüße Manuela
Stefanie
Danke für den Ausstellungs-Tipp, da gehe ich bestimmt auch noch mal hin. Ich habe meine Teenager-Jahre ja in den 80ern durchlebt und kann deshalb der Begeisterung fürdie meisten Elemente dieses Looks nichts mehr abgewinnen. Ich glaube, das braucht man nur einmal im Leben. Netzhemden, Fledermausärmel, Nieten an völlig unpassenden Stellen, heute schüttelts mich. Mit der V-Silhouette ist es tatsächlich etwas anderes. Ein bisschen breitere Schultern ( natürlich nicht so übertrieben, wie teils in den 80ern) sind gar nicht so schlecht für das Selbstbewustsein, wenn man in den Spiegel schaut. Die Botschaft: “Achtung, mit mir musst Du rechnen!” kommt glaube ich ganz unbewusst beim Gegenüber an und verändert auch das eigenen Auftreten. Es hat schon einen Grund, weshalb Busineskostüme immer Schulterpolster haben. Für Frauen mit abfallenden Schultern wäre es sicher ein interessantes Experiment, mal Blusen oder Kleider mit Schulterpolstern zu tragen und zu schauen, wie sie selbst und die Umwelt darauf reagiert.
Wenn ich Dein Nähproblem richtig verstehe, ist der Futterärmel irgendwo zwischen Achsel und Mitte Unterarm nur zusammengeheftet. Diese Heftnaht wird also aufgetrennt, und dann würde ich den Futterärmel erst einmal eingeschlagen auf die Saumzugabe des Ärmels stecken oder mit ein paar Stichen festheften. Damit sich das Futter nicht im Ärmel verdreht. Dann stülpst Du alles durch den Schlitz im Futterärmel nach außen. Durch das Heften/ Stecken sollten die Nahtzugaben von Futter und Saum in etwa richtig zusammenliegen und müssen jetzt nur noch zusammengenäht werden. Wenn Du die beiden Ärmel etwas ineinander schiebst, erhälst Du eine Röhre und kannst auf der Innenseite nähen. Ist zwar ein elendes Gefummel und macht auch gar keinen Spaß, aber das Ergebnis sieht sehr professionell aus. Die Zeitersparnis gegenüber dem Einnähen von Hand ist mäßig. Aber wenn man das Handnähen ebenso verabscheut wie ich, lohnt es sich. Allerdings geht es bei Dir ja vermutlich eher darum, die Technik zu meistern. Ich nähe die Ärmelsäume tatsächlich lieber durch einen Schlitz in der Seitennaht oder dem Saum, das ist sehr viel bequemer.
Liebe Grüße, Stefanie
Manuela
Liebe Stefanie, herzlichen Dank für die Erste Hilfe!
Du hast mein Problem genau erfasst. Ein guter Tipp, dass Futter wieder an den Ärmel zu heften! “Wieder” – weil es eigentlich schon angeheftet war. Mache ich immer, damit es bei den Anproben nicht dreht oder im schlimmsten Fall einreißt. Ich hatte es extra für diesen Arbeitsschritt gelöst. GRRR. “Die Technik zu meistern” ist gar nicht mein Ehrgeiz, ich bin eher zu faul, wieder großflächig aufzumachen und anders vorzugehen. Was ich aber machen kann, ist den Schlitz im Futterärmel zu vergrößern… Vielleicht wird es dadurch etwas leichter.
Oh stimmt, an so etwas wie Netzhemden hatte ich gar nicht gedacht! Vermutlich bringt jedes Jahrzehnt rückblickend ein paar Scheußlichkeiten hervor, bei denen man sich fragt, was haben die sich nur dabei gedacht. Bei der V-Silhouette ist es für mich auch eher eine Frage des Maßes. So finde ich bei Muglers Hemdblusenkleidern die Betonung der Schultern mittels angedeuteter Epauletten oder Koller ganz bezaubernd.
Viele liebe Grüße Manuela
sienaehtschonwieder
Danke für den Bericht, ich besuche so gerne Ausstellungen mit euch und durch eure Augen.
Ich will mit tatsächlich als nächstes ein Hemdblusenkleid nähen, sollen wir daraus was machen? Aktuell bin ich bei einem tragbaren Nesselteil.
Grüße, Tina
Manuela
Dankeschön Tina.
Bei “sofort dabei” habe ich wohl etwas nicht ganz zu Ende gedacht. Ehrlich gesagt, hatte ich nicht damit gerechnet, dass jemand diesen Ball aufgreift. Aber es freut mich wirklich! Ich könnte es ab Mitte Juni einrichten… bzw. kommt ein wenig aufs Format an… Ich weiß nicht, ob Du da nähtechnisch schon ganz woanders bist?
Liebe Grüße Manuela
3he fecit
Die 80er Jahre, das waren meine Teenagerjahre. Ich erinnere mich mit Schaudern an Netzhemden, Keilabsatzschuhe, pastellfarbene Stufenminiröcke, pinke Patentpullover mit V-Ausschnitt, Satinblusen und Karottenhosen. Und an diese wirklich grausigen Anzüge aus Ballonseide, diesen Trend immerhin habe ich ausgelassen. Und habe stattdessen die 80er mit einem alternativen Stil in komplett Schwarz abgeschlossen. Und kann nur mit dem Kopf schütteln, weil eine der Nichten genau diese genannten Scheußlichkeiten nun in den Schränken der Verwandtschaft ausgräbt und ausführt. Ein Revival der 80er hätte nun wirklich nicht sein müssen 😉
Wenn ich mir dann die Kleider in den Vitrinen auf deinen Fotos so ansehe, gab es in den 80ern durchaus auch ansehnliche Kleidungsstücke. Gerade den Hemdblusenkleidern kann ich einiges abgewinnen. Und horte bereits den einen oder anderen Schnitt (die mich aber alle noch nicht so wirklich überzeugen). Und auch Stoff ist bereits vorhanden, im Januar am Maybachufermarkt gekauft. Einem gemeinsamen Nähen steht nur die fehlende bzw. bereits anderweitig verplante Nähzeit entgegen.
Dein Mantel überzeugt. Gerade dieser Kragen, der in die Vorderteile übergeht, und die Taschen, sehr schöne Details. Diese Art des Ärmel zusammennähens habe ich anhand von Wendejacken aus Jersey für alle zu beschenkenden Kinder rundum gut gelernt. Es ist stellenweise etwas fummelig, aber machbar. Ich ziehe den Ärmel allerdings durch die nicht ganz so kleine Wendeöffnung in der Seitennaht (die ganz zum Schluss mit Leiterstich unsichtbar verschlossen wird).
Liebe Grüße, heike
Manuela
Durch den Saum oder die Seitennaht zu ziehen, scheint um einiges leichter, als das Armloch über die Öffnung im Ärmel zu schließen, wenigstens wenn 4 m Mantelstoff daran hängen… Mir schwant längst, warum ich diese Arbeitsreihenfolge bei der industriellen Fütterung bisher nicht gesehen habe…
Alternativ komplett Schwarz! Bin ich ganz bei Dir. Zwar etwas später habe auch ich meine Teenagerzeit in Schwarz verbracht. Auf der einen Seite finanzieller Wohlstand & Maßlosigkeit auf der anderen Seite beginnt in den 80er Jahren die soziale Spaltung, die ein paar ziemlich lässige Club- & Subkultur-Trends hervorgebracht hat…
Herzliche Grüße Manuela
Schnitt für Schnitt
Hey! Toller Bericht mit vielen spannenden Hintergrundinfos, danke dafür! An anderen finde ich Hemdblusenkleider immer toll, aber bei mir funktionieren sie irgendwie nicht: drei habe ich bislang genäht und keines davon wirklich getragen. Egal: das nächste ist gerade in Planung 🙂
Toller Mantel! Ich bin auf deine Schnittbeschreibung gespannt. Ansonsten mache ich es auch wie von Stefanie beschrieben: Naht zwischen Ärmel und Futter zusammenheften, damit sich nichts verdreht (reicht eigentlich eine Stecknadel) und dann ziehe ich die Röhren durch den offenen Saum, stecke fertig ab und nähe mit der NäMa. Geht eigentlich ganz schnell.
Liebe Grüße Christiane
Manuela
Gern geschehen. Dank Dir wiederum für die schöne Resonanz.
Bisher habe ich, wenn ich nicht per Hand gefüttert habe, auch immer durch den Saum gezogen. Bei dieser Variante ist er bereits geschlossen. Ich habe nur noch zwei Nähte offen: Armloch & Öffnung im Futterärmel.
Jetzt bin ich natürlich neugierig, warum die Hemdblusenkleider bei Dir nicht funktionieren und welchen Schnitt Du planst zu nähen??? Irgendwie scheint das Thema in der Luft zu liegen… Vielleicht gebe ich mir einen Schubs und mache im Juni etwas dazu, wo man sich verlinken kann…
Liebe Grüße Manuela
Birgit
Hey Manuela,
ein Hemdblusenkleid-Sew-Along klingt super! beim Nähen wäre ich sofort mit dabei! Ich habe übrigens einen Garten …
LG
Birgit
PS: Deinen sehr sehr schönen Mantel finde ich eher wenig v-förmig. Ich kann den Achtzigern so garnichts abgewinnen.
Die Ausstellung schaue ich mir trotzdem gerne an – Danke für den Tipp.
Manuela
Hallo Birgit, beim Mitmachen wäre ich auch dabei, was das Hosting betrifft, ringe ich noch mit mir… Garten in Berlin klingt natürlich verführerisch und wenn Du durch einen Sew Along wieder zu bloggen anfängst…
Für die klassische Sanduhr finde ich die Schultern des Mantels zu dominant, leicht überschnitten und angehoben, ich habe schon mehr Polster als gewöhnlich drin.
Dank Dir & liebe Grüße Manuela
P.S. Schön mal wieder von Dir zu lesen.