Abschied vom Sommer mit einem Patternhack

Auch ich habe es mitbekommen: Draußen ist Herbst, der sich eher von seiner dunklen, stürmischen Seite zeigt. Aber ein sommerliches Kleidungsstück habe ich noch, mit dem ich beim heutigen MMM für dieses Jahr vom Sommer Abschied nehmen will. Bei dieser Gelegenheit ein großes Dankeschön an die Organisatorinnen!

Der Schnitt

Röcke nähe ich nur äußerst selten und einen Bleistiftrock habe ich noch nie genäht. Vielleicht, weil ich damit (vermutlich fälschlicherweise) ein Frauenbild der 1950er/60er Jahre verbinde, mit dem ich mich nicht identifizieren kann – irgendetwas zwischen Miss Moneypenny und Sugar mit Ukulele. Ein Bleistiftrock erfordert zudem eine besondere Gangart, die sich mit meiner Vorliebe für Sneaker schlecht verträgt. Im Sommer wollte ich dann urplötzlich genau so ein Ding, und das auch noch lang, was das Ganze noch mehr in die Nähe der Humpelröcke aus dem 19. Jahrhundert und ihrer Mid-Century-Revivals rückt. Mmh, an der mangelnden Sommerhitze in Berlin kann es nicht gelegen haben…

Also habe ich meine Schnittmustersammlung durchgeschaut und bin nicht fündig geworden. Am nächsten kam noch Wickelrock #115 Burda 2/2016 an meine Vorstellung heran: Taillenhoch, mit Hüftpassentaschen und Bundfalten, aber ohne Bund. Eine ziemlich lässige Version des Schnittes hat übrigens Sybille (Das Büro für schöne Dinge – Blog gibt es leider nicht mehr) beim Finale des Prada-Sew-Along gezeigt; im Heft war mir der Schnitt zunächst gar nicht aufgefallen. Ich entschied mich für ein Patternhack. Das geht m. E. schneller, als einen Grundschnitt zu zeichnen und abzuwandeln, zumindest wenn man einen Schnittmusterhersteller gefunden hat, der zum eigenen Körper passt und bei dem die Passform verlässlich ist.

Größe, Anpassungen und Passform

Kopiert in Gr. 40, in der Hüfte etwas zugegeben. Rocklänge auf 80 cm verlängert und Saum eingestellt. Wickel entfernt und Vorderteil im Bruch gezeichnet. Rückenteil geteilt und Nahtzugaben ergänzt, um an der hinteren Mitte einen Reißverschluss und einen Schlitz einfügen zu können. Probemodell angefangen aus…

Der Stoff

…garngefärbter Baumwolle – moos-schilf-cremeweiß-kariert – die aus einem Paket mit Stoff-Coupons stammt. Keine Ahnung mehr woher. Ich erinnere mich, das Paket gekauft zu haben, um Dinge auszuprobieren als Alternative zu Nessel; ich kann meiner Mutter schließlich nicht all ihre Bettwäsche abschwatzen… Im Laufe des Nähens gefiel mir das Probemodell so gut, dass ich es wissen wollte: Also noch einen cremefarbigen Reißverschluss dazu gekauft, sowie schilffarbige Knopflochseide für die Fliege, damit der Schlitz beim Laufen nicht einreißt. Passenden Futterstoff für die Taschen hatte ich noch vorrätig. Da der Rock als Probemodell angefangen und als Sommerrock beendet worden ist, hat er kein Futter.

Anleitung und Schwierigkeitsgrad

Schnittabwandlung mithilfe von Müller & Sohn, Band Schnittkonstruktion für Röcke und Hosen aus der Bibliothek. Genäht habe ich den Rock, wie wahrscheinlich einige von Euch schon erkannt haben, mithilfe von „Pingel-Inges“ Rock-Kurs auf Makerist. Darin zeigt sie u.a., wie man eine Fliege stickt. Tatsächlich könnte ich mich perspektivisch fürs Sticken begeistern…

Was gefällt, was nicht? Nochmals nähen? Weiterempfehlen?

Der Rock ist ein Zufallstreffer, im Urlaub war er der Hit. Den einen oder anderen mag der Stoff an Geschirrhandtücher erinnern; tatsächlich ist die Baumwolle gröber und hat in der Textur etwas von Leinen, ohne im selben Maße zu knittern; bei 30 Grad und mehr ist das Tragefühl sehr angenehm. Ein weiterer Grund, warum ich den Rock viel getragen habe: Er fügt sich gut in meine Garderobe: hier mit Amber (von 2018) und einem abgewandelten Danmark (von 2017). Damit ist mir per Zufall gelungen, wofür ich Anfang des Jahres mal eine eigene Reihe geplant hatte, mehr Kombipartner zu vorhandenen Sachen zu nähen. Stolz bin ich darauf, dass das Muster passt; das gehört gewöhnlich nicht zu meinen Stärken.

Fazit: Fürs Erste bin ich mit dem Thema Bleistiftrock versöhnt, da mein Patternhack mich weder besonders formell noch ultra-feminin aussehen lässt. Ein Bleistiftrock als Urlaubsgarderobe, wer hätte das gedacht?

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22 Kommentare

  1. ach, Inges Fliege- ja, die habe ich gleich erkannt! Deine Version des Bleistiftrockes finde ich ausgesprochen schön. Die Bundfalten entschärfen die Bleistiftform etwas, und so wirkt der Rock schön leger und absolut alltags- oder urlaubstauglich. Es ist doch immer wieder schön, wenn Probemodelle zu tragbaren Teilen führen (die manchmal lieber getragen werden als die endgültige Version, so jedenfalls meine Erfahrung). Inges Original-Bleistiftrock habe ich ja mal genäht und ein sehr elegantes Modell produziert- zu elegant für meine Bedürfnisse an alltagstauglicher Kleidung. Getragen habe ich den Rock höchst selten, wahrscheinlich hätte ich Deine Version wesentlich häufiger aus dem Schrank genommen. Danke für die Inspiration, mein nächster Bleistiftrock bekommt auch Bundfalten!
    Liebe Grüße
    Barbara

    • Manuela

      Ja, ich erinnere mich gut an Deinen Bleistiftrock. Mir hat er sehr an Dir gefallen! Allerdings verstehe ich sofort, was Du meinst. Inges Modell ist schon sehr klassisch und mir fallen auch wenig Gelegenheiten in meinem Leben ein, wo ich ihren Rock tragen würde.
      Dank Dir & herzliche Grüße
      Manuela

  2. Sehr schick und man sieht noch so viel Sommer – das tut bei den Herbsttemperaturen richtig gut!

  3. Das ist mal ein würdiger Abschied für den Sommer, das einstige Probeteil hast du ganz wundervoll fertiggestellt. Ich hätte vom Schnitt her nie gedacht, dass man ihn auch so lässig kombinieren kann. Gefällt mir sehr gut. Auch die Fliege, ich wusste bis eben nicht mal, dass es Fliege heißt 🙂
    Liebe Grüße
    Jenny

    • Manuela

      Wusste ich vor dem Kurs auch nicht und scheint wohl auch ziemlich aus der Mode gekommen zu sein. Eine weitere Anleitung für eine Fliege habe ich nur im “Vogue Sewing Book” gefunden, in der Ausgabe von 1985 oder in Kunders Buch “Schneidere selbst” von 1966.
      Danke Jenny & liebe Grüße
      Manuela

  4. Klasse Rock und super schöne Fotos! Bleistiftrock für Urlaub wäre auch nicht mein erster Tipp, Du zeigst das das prima funktioniert! Der Stoff ist super und herrlich sommerlich. LG Kuestensocke

    • Manuela

      Danke für das nette Kompliment, auch für die Fotos. Das gebe ich gern weiter.
      Liebe Grüße Manuela

  5. Lässig und schick zugleich, hier sieht man, dass das geht. (Da hättest du auch gleich komplett selbst konstruieren können wenn du schon das Fachbuch zur Hand hast…) Regina

    • Manuela

      Ich liebäugele auch mit dem Wickelrock, so konnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich weiß, es nicht die reine Lehre…
      Liebe Grüße Manuela

  6. Das freut mich für dich, dass dein Experiment vollumfänglich geglückt ist.
    Der Rock sieht super an dir aus und dein Styling mit den Zehentrennern lässt den Look lässig und entspannt wirken; ganz wunderbar ist auch wieder deine sorgfältige Verarbeitung mit der gestickten Fliege als I-Tüpfelchen.
    Herzliche Grüße von Susanne

  7. Ja, verrückt, was manchmal aus einem Probeteil oder einem nicht perfekten Stoff wird und im Gegensatz dazu, was auch aus Sachen, wo man lange nach dem perfekten Stoff sucht, wird. Super, dass der Bleistiftrock so gerne getragen wird, finde ihn auch total schön und durch den Schlitz vermutlich einigermaßen bequem. LG Anja

    • Manuela

      Das ist er! Bundfalten und Schlitz sorgen für Bewegungsfreiheit. Das war mir sehr wichtig, dass ich normale Schritte machen kann und nicht trippeln muss.
      Liebe Grüße Manuela

  8. grandios geworden!
    würde ich sofort selbst anziehen – mag auch den “küchenstoff”!
    und die “fliege” ist ein wahres meisterwerk.
    die gewöhnliche bleistiftrock-wurstpelle ist auch nix für mich – zu unbequem. deshalb habe ich schon vor ewigkeiten einen schnitt mit “bundfalten” und geräumigen taschen gebastelt, den ich seitdem immerwieder in wolle oder baumwolle genäht habe – allerdings mit sattel (damit die “bundfalten” nicht mit den oberteilen kollidieren) & dior-falte statt gehschlitz……
    hier aus einer alten küchengardine (tatsächlich!):
    https://bahnwaerterhaeuschen.blogspot.com/2018/08/modish-matrons-august-blue-26.html
    (beim styling hat mich irgendwie die lollo geritten ;-D)
    xxxxx

    • Manuela

      Kein Wunder, dass Dir der Stoff gefällt. Ich habe mir gerade Deinen Rock angeschaut. Er ist sogar aus einer Vintage-Küchengardine! Vichy-Karo und Dior-Falte wie schön, und irgendwie sehr französisch. Ja, durch die Falten wird ein Bleistiftrock viel tragbarer, wundert mich nicht, dass Du den Schnitt dann mehrmals genäht hast.
      Merci & liebe Grüße
      Manuela

  9. ALso der Bleistiftrock steht dir einfach SUUUUPER und bringt für mich überhaupt keine Assoziationen mit sich. Wenn du mir jetzt noch sagts, dass man sich damit bequem bewegen und entspannt laufen kann dann brauche ich vielleicht doch auch mal einen! 😉 LG Sarah

  10. Was für ein schöner Rock und diese gestickte Fliege ist ein großartiges Detail! Schon deswegen muss ich mir wohl mal den Inge-Kurs kaufen. Also der Rock steht Dir ausgezeichnet und ich finde hier keine Deiner assoziationen wieder. So wie Du ihn trägst ist er eine gelungenen Mischung zwischen formell und lässig – mit gefällt es sehr.
    Liebe Grüße von Ina

    • Merci!
      Wenn es Dir nur um die Fliege geht, musst Du den Kurs nicht kaufen. Anleitungen dafür findest Du auch in älteren Nähbüchern…
      Schau mal in Dein Postfach.
      Liebe Grüße Manuela

  11. Was eine Überraschung! Dass sich ein Bleistiftrock im Urlaub gut macht hätte ich auch nicht getippt, schön, dass du so zufrieden mit dem Rock bist, ich bin gespannt ob noch weitere Bleistiftröcke folgen
    Liebe Grüße
    Katharina

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