Aus Schweden eingeflogene Eisberge im Grand Palais für eine Chanel-Show; überhaupt fand Karl Lagerfeld die Ökologie 2010 einfach nur „unkultiviert“; Tapeten aus Abertausenden von Blumen 2012 bei Dior, als Raf Simons Chefdesigner des Hauses wurde. Heutzutage ist eine derartige Verschwendung undenkbar, ohne dass es nicht einen Shitstorm geben würde.
Spätestens seit dem Einsturz der Rana Plaza Fabrik in Bangladesch hat die Modeindustrie ein Imageproblem und sieht sich mit einer Vielzahl von Vorwürfen konfrontiert: Überproduktion, sowohl bei den Luxusmarken als auch der Fast Fashion, Umweltverschmutzung, Ausbeutung bis hin zur modernen Sklaverei, kulturelle Aneignung und Rassismus, Sexismus, mangelnde Diversität… Der Dokumentarfilm Ist die Mode noch zu retten? (noch bis zum 16.04.2025 bei Arte), stellt die Frage, ob die Mode an den Krisen zerbrechen wird oder sich neu erfinden kann. Gedreht wurde der Film 2020 während Corona, als sich die Imagekrise zur Wirtschaftskrise ausweitete und die Welt für einen Moment stillstand. Inzwischen dreht sich das Rad weiter, gefühlt immer schneller…
Der Film folgt Umweltschutzbewegungen wie z. B. Extinction Rebellion, aber auch Designer:innen, die auf die Klimakrise aufmerksam gemacht haben, bevor das innerhalb der Mode in Mode kam: angefangen mit Agnès B. über Vivienne Westwood oder Alexander McQueen (man denke an seine legendäre Show The Horn of Plenty) bis hin zu Stella McCartney.

McCartney, die Queen der Green Fashion, wie sie auch genannt wird, verarbeitet weder Pelz noch Leder. Auch hat sie die Luxuskonzerne scharf kritisiert, wenigstens bevor sie selbst auf der Gehaltsliste von LMVH stand. Seitdem sei es recht still geworden, so der Film…
Dass das mit der Nachhaltigkeit mitunter nicht so einfach ist, zeigt auch der Mitschnitt einer Podiumsdiskussion, in der Westwood und McCartney darüber diskutieren, was nun besser für die Umwelt sei, die Verwendung von Leder oder Kunstleder bzw. veganer Alternativen. Der Einsatz von Chromsalzen und Formaldehyd beim Gerben lässt sicherlich von einem Naturprodukt wenig übrig, aber ist die Verwendung von Polyurethanen, um die veganen Alternativen haltbar zu machen, weniger schädlich für Umwelt und Gesundheit? Ähnliches gilt für die Ökobilanz von Pelz im Vergleich zu Fake Fur, hier findet die Abwägung zwischen Tierquälerei und Mikroplastik statt. Natürlich gibt es auch immer diejenigen, die sich einbilden zu wissen, was richtig oder falsch ist; doch wie meinte schon meine Großmutter: “Einbildung ist auch eine Bildung, und mancher hat als Kind nichts anderes mitbekommen.“
Apropos Pelz. Was ist, wenn man so einen Mantel erbt? Wie H. Im Nachlass eines Verwandten befand sich ein Lodenmantel mit einem Innenfutter aus Hamsterfell. Die Verwendung von Hamstern für Pelzwaren ist in Europa seit dem Mittelalter dokumentiert. Vielleicht nicht mehr als Mäntel, doch als Innenfutter waren Hamsterfelle bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts noch verbreitet, auch in Mitteldeutschland.



Der geerbte Lodenmantel ist längst Geschichte, ich hatte gehofft, das Futter auch… Was macht man damit?* Tragen kommt zumindest für mich nicht in Frage, auch nicht zerlegt und zu neuen Kleidungsstücken verarbeitet. An die Kleiderkammer spenden? Der Winter steht vor der Tür. Ein Großteil der gespendeten Kleidung ist für Frauen, während die Mehrzahl Obdachloser in Berlin männlich ist. Die Tierrechtsorganisation PETA empfiehlt, Pelze vor dem Spenden mit Farbe zu besprühen, damit sie nicht wieder in den Handel kommen. Ich glaube, die Gefahr besteht bei einem Hamsterfutter eher weniger… Auch Tierschutzorganisationen freuen sich wohl laut PETA mitunter über Pelzspenden, zur Aufklärung oder für Decken und Körbchen. Leider habe ich Pelz auf keiner Sachspenden-Wunschliste der Berliner Tierheime gefunden… Und einfach im Müll entsorgen, fühlt sich irgendwie auch nicht richtig an. Was würdet Ihr an der Stelle von H. tun?
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*Falls jemand Interesse daran hat, würde er das Hamsterfutter verschenken, gegen Porto & Verpackung auch verschicken.
sienaehtschonwieder
Danke für den Arte Tipp, die Doku werde ich mir ansehen. Für mich ist es unkultiviert, bei sich selbst keine ökologische Verantwortung zu sehen.
Das sind soweit ich zählen konnte über 50 Hamster, für mich als Tierliebhaberin ist der Anblick schon tragisch. Leider bin ich selbst auch im Besitz von zwei Fellwaren, einem Mantel aus grauem Kaninchenfell und einer Wintermütze aus Robbenfell. Beide soweit ich es erforschen könnte schon über 60 Jahre alte, aber mit dem Mantel habe ich als Kleinkind gespielt, weil ich ihn soo schön weich fand. Heute habe ich schon Gänsehaut beim Anfassen. Ich weiß nicht, ob ich es jemals über mich bringen werde die beiden Teile einfach wegzuwerfen, anstatt schamvoll auf dem Dachboden zu verstecken. Das Besprühen finde ich an sich eine gute Idee. Aber auch unser System für Gespendetes sortiert Kaputtes und Verschmutztes aus, damit könnten die Sachen halt auch dort entsorgt werden.
Wenn du eine gute Lösung hast, Gib mir gerne Bescheid, ich hab leider keine.
Grüße, Tina
Manuela
Gern. Ja, in dieser Sequenz wirkt Lagerfeld wirklich “outdated”…
Mit der Gänsehaut geht mir ähnlich, ich mag’s gar nicht anfassen. Bei uns wird der Pelz im hintersten Winkel des Kleiderschranks versteckt.
Guter Hinweis, dass unser Spendensystem verschmutzte und kaputte Sachen aussortiert! Aber Besprühen scheint mir in diesem Fall auch nicht notwenig. Ich glaube, die Gefahr der kommerziellen Verwertbarkeit, erneut aus Tierleid Kapital zu schlagen, ist hier gering. Als Statussymbol, ehemals Sinnbild für Reichtum und Schönheit, taugt ein Hamsterpelz wohl nur bedingt, zudem ist es ein Innenfutter…
Mach ich.
Liebe Grüße Manuela
Anja Lüdeking
Danke für den Hinweis mit dem Film, werde ihn bestimmt bald schauen. Für das Hamsterfell weiß ich auch keine Lösung. Ich vermute, in vielen Schränken finden sich noch die Felle der Mütter und Großmütter. Bei mir eine umgearbeitete Persianerkurzjacke einschließlich Mütze, die meine Mutter aus einem Mantel genäht hat, die Mütze ist furchtbar, die Jacke hängt in einer Schutzhülle in meinem Schrank, sie passt und sieht schick aus, zeitlos, schlicht, unfassbar schwer allerdings, habe sie gerade nochmal ausgepackt. Aber sowas kann man ja nicht anziehen, weil Echtfell. Wenn es Kunstfell wäre, würde ich die Jacke wahrscheinlich so wie sie ist, tragen. An sich ist das hirnrissig. Einen schönen Samstagabend noch mit diesem wahrlich schwierigen Thema. LG Anja
Manuela
Danke.
Was Pelz betrifft, hat wirklich ein Wandel in den Köpfen stattgefunden. Ich hatte sogar mal gelesen, dass Echtfell mitunter als Fake Fur deklariert wird, weil er sich nicht mehr verkaufen lässt… Leider ist mir gerade entfallen, wo.
Persianer ist ein Schaf, oder?!
“Hirnrissig”, ich weiß nicht… Vielleicht auch Selbstschutz. In meiner Bubble riskiert man mindestens totbringende Blicke, wenn man mit Pelz aufschlägt… Umnutzen des ungeliebten Erbes scheint mir am ressourcenschonendsten, ohne dass ich eine konkrete Idee dafür habe.
Lieben Gruß Manuela
Anja
Ich habe gegoogelt https://de.wikipedia.org/wiki/Persianer Klingt entsetztlich, die Wellung habe ich mir nicht weiter angeschaut, Selbstschutz kann sein und ja, es als Fake Fur zu deklarieren hilft vielleicht weiter. Erstmal hängt das Teil weiter im Schrank. Der Film war super! LG Anja
Manuela
Freut mich zu lesen, dass er Dir gefallen hat. Danke auch für den Link.
Lieben Gruß Manuela
Anne Sophie
Liebe Manuela, kannst Du Gedanken lesen? Diese und ähnliche Fragen geistern mir zunehmend auch wieder oder immer noch im Kopf herum… Und hatte gerade einen Artikel dazu in der Mache.
Neulich las ich, dass die Niederlande (oder Belgien?) diesen Sommer fast das Baden in der Nordsee eingeschränkt hätte, weil zu viel von der Ewigkeitschemikalie PTFA (Teflon/Goretex-Produktion) im Meeresschaum ist. Da könnt ich echt heulen, zumal man, wenn man böse wäre, sagen könnte, dass die meisten Goretex-Jacken hierzulande nie ein Gebirge gesehen haben, muss das denn wirklich sein?
Bei anderen Themen habe ich für mich zumindest eine Entscheidung getroffen: Wenn es heißt, dass veganes Leder bei guter Pflege bis zu 10 Jahre halten KANN: Meine ältesten Lederschuhe sind 24 Jahre alt, x-Mal besohlt, immer noch top. Wolle vs. Kunstfaser: Ebenso. Akryl neigt zum schnellen Pilling und wärmt nicht anständig. PU: Indiskutabel wegen der Gifte, die sowohl bei Produktion, Verwendung als auch bei Entsorgung entstehen.
Fell: super schwer. Rein vom Material würde ich sagen, dass es zu schade wäre, es NICHT zu nutzen, (und dann womöglich was neues aus Kunstfaser zu kaufen…), aber man möchte ja auch keinen neuen Trend auslösen… Außerdem strahlt Fell so was Dekadentes aus, aber gibt es da wirklich einen sooo großen Unterschied zu Leder/Daune/Wolle/Fleisch/jeglicher Massenkonsum?
Da muss ich sagen, dass ich die heutige Massenproduktion von Plaste-Klamotten für eine Saison (oder für 5 Mal Tragen) fast schlimmer finde, als einen alten Fellmantel zu verwerten… Bei neu “produziertem” Fell sieht das natürlich anders aus. LG Anne Sophie
Manuela
Gedanken lesen kann ich nicht – bin, ehrlich gesagt, auch ganz froh darüber. Ich freue mich allerdings über die Resonanz, wenn andere Fragen und Themen beschäftigen, die mir am Herzen liegen. Bin gespannt auf Deinen Post …
Die Wahl des Materials wird die Probleme, die aus Überproduktion und Massenkonsum entstehen (wobei ich mir hier nicht sicher bin, was zuerst da war), bestimmt nicht lösen… Das von Dir genannte Beispiel Goretex veranschaulicht ja eindringlich, dass man vom Regen in die Traufe kommt…
Warum macht Pelz für mich emotional einen Unterschied zu Leder, Daunen und Wolle? Ich glaube, vielleicht weil ich bei Pelz eher an Nerz, Zobel usw. denke, allein wegen ihres Felles gehalten, während Wolle, Daunen und Leder ein Teil der Verwertung von Nutztieren sind. Zugegebenermaßen geht da auch viel schief. Es gibt zudem im 21. Jh. genug Alternativen für wärmende Winterbekleidung. Die Schweizer Bauern haben bspw. die Wolle ihre Alpenschafe jahrelang weggeworfen, weil sie keiner wollte… Sie wird gerade wiederentdeckt.
Selbst ziehe ich bei Bekleidung auch natürliche Materialien synthetischen vor, umgekehrt besitze ich seit vielen Jahren eine Regenjacke aus Plastik fürs Wandern, hatte sie allerdings noch nie unter 1000 Höhenmetern an.
Herzliche Grüße Manuela
Bärbel Strehmel
Das Problem mit einem geerbten Pelz hatte ich auch vor ein paar Jahren. Mein Mann und ich waren uns damals einig, die Felle aus der Kleidung herauszutrennen, in ein Leinentuch einzuschlagen und im Garten zu „beerdigen“, wie wir es auch schon mit verstorbenen Haustieren gemacht hatten. Auf diese Weise wollten wir den Tieren, die für die Pelze gestorben waren, wenigstens spät einen Teil ihrer Würde als Lebewesen wiedergeben.
Grüße aus Potsdam von Bärbel
Manuela
Euren Umgang mit dem geerbten Pelz finde ich sehr berührend! Das ist auch der Hauptgrund, warum wir ihn nicht einfach in den Müll werfen können. Es waren Lebewesen.
Dank Dir & liebe Grüße Manuela
Stefanie
Pelz ist eine schwierige Angelegenheit. Mit Kaninchen- oder Lammfell habe ich kein großes Problem, denn wenn das Tier gegessen wird, bleibt das Fell übrig. Gleiches gilt für Leder. Ich finde, dass man schon aus Respekt dem Lebewesen gegenüber alles von ihm verwenden sollte und nicht nur das “Filet”.
Anders ist es sicher mit Tieren, die nur wegen ihres Fells gezüchtet wurden. Neu geht gar nicht. Aber wenn der Pelz nun schon einmal da ist, bereits seit Jahrzehnten, soll man ihn dann wegwerfen, nur weil uns nicht mehr gefällt, wie er erzeugt wurde? Weil wir posthum ein schlechtes Gewissen entwickeln? Das macht das Tier nicht wieder lebendig, es ist nur ein Stück weit umsonst gestorben.
Natürlich möchte man keinen Trend setzen, dem dann möglicherweise in Zukunft wieder Tiere zum Opfer fallen, das ist das Problem. Und einen fetten Aufnäher ” dieser Pelz ist antik” auf dem Mantel zu heften, ist sicher auch keine Lösung.
Der Umgang mit alten Pelzen ist und bleibt eine Gewissensfrage, da gibt kein “richtig” oder “falsch”. Vielleicht tröstet es Dich, dass die Hamster, die für Euren Pelz ihr Leben geben haben, höchstwahrscheinlich zu einer Zeit der Massenvermehrung gelebt und die Ernte gefährdet haben und deshalb bejagt wurden. Kann man sich heute kaum noch vorstellen, in Brandenburg gelten sie bereits als ausgestorben.
Der Tipp mit der Doku ist auf jeden Fall sehr interessant, ich freue mich schon darauf, sie zu sehen. Danke, dass Du solche Fundstücke immer wieder ausgräbst und vorstellst.
Liebe Grüße, Stefanie
Manuela
Das “From Nose to Tail”-Prinzip versuche ich auch zu leben, wenn ein Tier schon für die Erfüllung unserer Bedürfnisse sterben muss. Und mit “posthumen schlechten Gewissen” triffst Du den Nagel bei mir leider auf den Punkt; es ist so stark ausgeprägt, dass ich wie Tina schon beim Anfassen Gänsehaut bekomme und ein tiefes Unbehagen verspüre. Zwischenzeitlich gab es die Idee, es einem Kürschner hier im Viertel zu schenken. Wir waren dort, der Laden hat leider dicht gemacht…
Herzliche Grüße Manuela