“Die Sprache der Mode” Gesehen, gelesen…

Der Ausstellungstitel, Die Sprache der Mode, mag etwas irreführend sein. Er bezieht sich auf das gleichnamige Buch von Roland Barthes. Darin untersucht Barthes die Rhetorik von Modezeitschriften in den 50ern, wobei erst das Schreiben darüber, so eine seiner Thesen, aus Bekleidung Mode macht. Dagegen widmet sich die Ausstellung nicht dem Modejournalismus, sondern zeigt Kleidungsstücke, die alle in irgendeiner Form Sprache verwenden, sei es als Markenname oder Logo, als politisches oder persönliches Statement; sofort ins Auge springend oder ein typographisches bzw. kalligraphisches Muster formend; gestickt, gewebt, appliziert, gesprüht, gedruckt… Die Ausstellung beleuchtet also weniger die Sprache über Mode als die Sprache in der Mode.

Obwohl die Ausstellung nur 35 Exponate umfasst, deckt sie die Zeit von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur unmittelbaren Gegenwart ab, angefangen von Charles Frederick Worth. Ich finde es ja recht amüsant, dass die französische Haute Couture von einem Briten erfunden worden ist. Worth erhob den Couturier vom Schneider in den Rang des Modeschöpfers. Bis dahin hatten die Schneider die Vorstellungen ihrer Kunden umgesetzt, die die Idee für das Design dann für sich beanspruchten. Worth drehte das Machtverhältnis um, indem er eigene Modelle entwarf und dann zum Kauf anbot. In die Kleidungsstücke nähte er Etiketten mit seiner Unterschrift ein, womit er sie wie ein Kunstwerk signierte. Er begründete damit den Markenkult.

Welche Macht Worths Geste in der Folge entfaltet – die Knöpfe des Tweed-Kostüms sind bspw. mit verschlungenen CC-Monogramm von Coco Chanel verziert – zeigt sich nicht allein darin, dass sie den Wert des damit versehenen Produktes steigert (weit über die Material- und Produktionskosten hinaus), sondern der Glanz der Marke färbt auch auf den Träger ab – wenigstens wird die Aufwertung darüber versucht.

links: Charles Frederick Worth, rechts: Bustier aus Schnürrsenkeln Martin Margiela 2003

Die Logo-Manie hat natürlich eine Gegenbewegung provoziert: Der belgische Designer Martin Margiela hat bewusst auf die Nennung seines Namens verzichtet (und auch sonst viel Wert auf Anonymität gelegt; hier hatte ich schon einmal über Margiela geschrieben). Zugleich hat er den Mechanismus hinter der Marke aufgedeckt, als er seine Entwürfe stattdessen mit vier weißen Stichen versah.

Das funktionierte natürlich nur eine begrenzte Zeit. Inzwischen ist Margielas Non-Logo selbst zum Logo mit hohem Wiedererkennungswert geworden und hat Kultstatus inne. Der Mechanismus dahinter bleibt im Grunde derselbe: Die Markennennung setzt eine Wertschöpfung in Gang, die nicht nur das Produkt, sondern auch den Träger aufwertet. Zur Schau gestellt wird nun nicht (nur) das ökonomische, sondern das kulturelle Kapital. Man zeigt nicht nur, dass man es geschafft hat, sondern auch, dass man zu einem Kreis von Kennern gehört, der den Hype eigentlich nicht nötig hat.

Aufgrund ihrer Größe kann die Ausstellung natürlich nur Schlaglichter auf die Verwendung von Sprache in der Mode werfen. Das tut sie aber meiner Meinung nach auf intelligente und inspirierende Weise. Was mir darüber hinaus gefallen hat, ist die starke Repräsentanz belgischer Designer: Neben Margiela werden Arbeiten von Walter Van Beirendonck, Raf Simons und Devon Halfnight LeFlufy gezeigt (letzter ein Kanadier, der aber auch Absolvent der Königlichen Akademie der Künste in Antwerpen ist). Gerade Van Beirendonck, der zu den „Antwerp Six“ gehört, habe ich für mich neu entdeckt. Bisher waren mir Margiela und Dries Van Noten, deren Ästhetik zurückhaltender ist, näher als Van Beirendoncks Mode in knalligen Farben mit subversivem Humor. Mag an meinem Temperament liegen…

links: Raf Simons 2014, rechts: Devon Halfnight LeFlufy 2016

Fazit: Eine kleine, aber feine Ausstellung! Für Kurzentschlossene ist die Ausstellung Die Sprache der Mode noch bis zum 23. April im Museum für Kunst & Gewerbe in Hamburg zu sehen.

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11 Kommentare

  1. wie du schon schriebst (bzw. Roland Barthes sinngemäss):
    ohne hype keine mode.
    ohne die ständige wiederholung, dass die jeans ja “DIE allertollste bekleidung für die untere hälfte eines menschen ist” wären die dinger nur schäbig aussehende hosen……
    😀
    (z.b.)
    das chanel-kostüm hätt´ste mir ruhig mitbringen können – das würde ich auch ohne gelabelte knöpfe tragen, weil ich weis, wie grossartig die dinger verarbeitet sind.
    danke für den report und v.a. die photos!! sehr inspirierend, vor allem die “antwerpener”.
    ansonsten: kleidung “spricht” ja immer. auch ohne schriftzug oder wenn man sie bei lidl oder aldi kauft…… 😛
    grüsse in die hauptstadt! <3 xxxxx

    • Manuela

      Mmh, der letzte Punkt scheint mir ein wenig wie Eulen nach Athen zu tragen. Kurze Erinnerung: Die meisten Leute, die hier vorbeikommen, sind in der Lage dazu, ihre Kleidung selbst zu nähen und zu stricken… 😉
      Bisher dachte ich ja, dass sich die Popularität der Jeans (neben T-Shirt und Lederjacke) dem Bad Boy Stil von Marlon Brando und James Dean verdankt aus Filmen, wie z. B. “Der Wilde” oder “Denn sie wissen nicht, was sie tun”…
      Schön zu lesen, dass Du meine Begeisterung für belgische Designer offenbar teilst.
      LG Manuela

      • *Kleidung selbst zu nähen und zu stricken*
        ach so?

        quatsch – spass beiseite. war ja auf gar keinen fall auf deine werte leserschaft gemünzt. ts.
        deshalb: auch selbstgenähtes/-gestricktes kann sprechen – ganz ohne sprüche auf´m tee 😀
        ich hatte für den laden mal 10m weissen blusenstoff flächendeckend von einer kalligraphin mit einem liebesgedicht beschreiben lassen – schriftgrösse in etwa wie auf der jacke ganz oben – so an alle selbermacher mit schöner handschrift…….

        • Manuela

          Liebeslyrik, ach was für eine schöne Idee!
          Bei derJacke von Jean-Charles de Castelbajac oben ist es die Madeleine-Episode aus Marcel Prousts Roman “Auf der Suche nach der verlorenene Zeit”
          LG Manuela

  2. Ich bin ja kein Freund von Schriftzügen auf Kleidung;
    Ganz besonders nervig finde ich die dicken Logo-Prints auf Shirts. Die waren und sind für mich immer ein Grund, das Kleidungsstück nicht zu kaufen.
    Merci für deinen Ausstellungsbericht; wie immer interessant und informativ.
    LG von Susanne

    • Manuela

      Ich eigentlich auch nicht, auch nicht von nicht-kommerziellen T-Shirt-Aufdrucken; Logos sind auch nicht meins, lassen sich aber mitunter kaum vermeiden, selbst bei als nachhaltig geltenden kleineren Labels.
      Was ich aber spannend finde, wenn Muster aus Schriftzeichen gestaltet werden und so das Kleidungsstück über die ästhetische Botschaft hinaus noch eine weitere erhält, die nicht sofort ins Auge springt. Van Beirendonck bspw. hat damit viel experimentiert, wohl wissend, dass wir nur eine begrenzte Anzahl schlechter Nachrichten ertragen, weshalb er politische Statements zu unbequemen Themen oftmals in einer farbintensiven und humorvollen Mode verpackt hat.
      Herzliche Grüße Manuela

  3. Sehr spannend und da muss man wirklich sehr kurzentschlossen sein, um nach Hamburg zu fahren. Und alles sehr richtig, was du schreibst. Kürzlich habe ich von einer sehr jungen Nachwuchsdesignerin gelesen (wenn ich mal wüsste, wer und wo, ich erinnere mich leider nicht), die im sustainable Bereich mit Texten auf alten Kleidern experimentiert hat und dann aus den Botschaften Neues erschaffen hat, dabei musste man schon sehr genau lesen, um die Texte zu verstehen, hätte auch noch gut in das Konzept gepasst. Im Übrigen auch eine coole Selfmade Idee, Stoffe zu beschriften. LG Anja

    • Manuela

      Finde ich auch! Ich hatte vor einer Weile auf dem Flohmarkt alte Schablonen zum Sticken von Monogrammen gesehen und darüber nachgedacht, was man damit machen und wie man sie zeitgenössisch zweckentfremden könnte. Leider hatte ich die Ausstellung da noch nicht gesehen…
      Hamburg ist für Dich nicht gerade um die Ecke; um allein deshalb den weiten Weg auf sich zu nehmen, scheint mir die Ausstellung zu klein, aber im mkg sind gerade auch die Guerilla Girls, und auch sonst hat Hamburg ja Einiges zu bieten.
      LG Manuela

    • Manuela

      P.S. Falls Dir der Name der jungen Designerin wieder einfällt, würde ich mich freuen, wenn Du ihn hier ergänzt. LG Manuela

  4. Wenn es nicht so mühsam wäre, Siebdruckschablonen zu erstellen und ich nicht soviel Angst hätte, dann am Ende den Stoff mit einem missratenen Druck zu verderben, würde ich tatsächlich öfters mal einen Spruch auf ein T-Shirt drucken. Es gibt da ein paar schöne John-Lenon- und Agatha-Christie-Zitate, die ich durchaus in die Welt hinaustragen würde. Handschrift geht bei mir gar nicht 🙁 .
    Was Du über Marken schreibst, finde ich auch ganz faszinierend. Bei manchen Herstellern ist die Qualität so mittelmäßig, dass man es ohne Logo gar nicht kaufen würde – nicht, dass ich so etwas überhaupt mache, ich denke da eher an den Vergleich auf dem Kleiderständer im Geschäft. Oft ist die preiswerte Hausmarke viel besser verarbeitet, als das teure Markenprodukt.
    Aber wer braucht schon Katzen auf dem Sportshirt, wenn sie Pommes auf der Hose hat 😉
    Viele Grüße, Stefanie

    • Manuela

      Ja, Deine Pommes Leggins sind wirklich großes Kino!
      Siebdruck, überhaupt Drucktechniken Lineal- und Holzschnitt, Radierung usw. würde ich auch gern mal wieder machen, allerdings auf Papier. Statements-Shirts waren irgendwie nie besonders meins, obwohl ich ansonsten vieles von V. Westwood sehr mag…
      Liebe Grüße Manuela

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