WKSA 2019: Projekt & Zwischenstand

Heute ist bereits das dritte Treffen des diesjährigen WKSA. Wieder gibt es ein paar Fragen, die dabei helfen, den Beitrag zu strukturieren. Wie es mir in den letzten Wochen ergangen ist, lässt sich am Besten mit einem Bogen beschreiben, von: „Ich bin schon mittendrin, die Nähmaschine schnurrt.“ (beim zweiten Treffen, dass ich großzügig weggelassen habe), hin zu: „Der Zeitplan ist hin, ich mache aber in Ruhe weiter.“

Schnitt & Stoff

Nun will ich Euch aber nicht länger auf die Folter spannen: Es ist Prudence geworden! Der Colette-Schnitt lag mit ein paar Stimmen vorn und ich hatte ja getönt, mich nach Eurem Votum zu richten. Im ersten Moment dachte ich: „Ach Du Sch…!“ Aber ehrlich gesagt, all meine WKSA-Projekte waren bisher, mal vorsichtig formuliert, Anpassungsintensiv; und zu Recht meinte eine von Euch, da ich Jeannie noch nicht genäht habe, ich nicht wissen könne, ob der Schnitt einfacher zu machen sei.

An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich für all Eure Kommentare zu meinem ersten Beitrag bedanken! Ich habe mich sehr darüber gefreut, auch wenn ich es dieses Mal nicht geschafft habe, jeden einzeln zu beantworten.

Den Stoff hatte ich beim letzten Mal schon gezeigt. Da ich nur zwei Meter der olivgrünen, geblümten Viskose (Karstadt) habe, werde ich wieder die erste Version des Schnittes nähen, sprich das Rockteil mit den Falten, allerdings auf Knielänge gekürzt.

Größe, Änderungen & Passform

Interessanterweise haben mich all diejenigen vor Prudence gewarnt, die mein Fiasko damals mitbekommen haben (hier). Ich habe alle Warnungen in den Wind geschlagen, muss aber gestehen, dass ich einen Joker in petto habe. Ich habe etwas gemacht, was ich schon lange vorhatte, mir Unterstützung vor Ort gesucht. So habe ich mein damaliges Probemodell (Gr. 8) aus der „Unerledigt-Kiste“ gekramt, bin damit zur Schneiderin und wir haben es neu angepasst. Na, ja, eigentlich hat sie es angepasst, ich hatte es an.

Nach ihren Anpassungen habe ich nun ein neues Probemodell gefertigt, das recht vielversprechend aussieht, aber noch des Feinschliffes bedarf: Kürzung der Dolman-Ärmel (auch wenn diese mit den Belegen 1,5, cm kürzer wären); ggf. Verlagerung des Reißverschlusses in die HM und Ergänzung von Seitennahttaschen; im Nacken sind immer noch ein paar Falten und für die herauskrabbelnden Belege braucht es auch eine andere Lösung, als das Kleid wie beim letzten Mal zu füttern. Da die Schneiderin leider mit Grippe flach liegt, ruht das Weihnachtskleid seit zehn Tagen. Na, ja nicht ganz, ich habe wenigstens schon mal das Unterkleid genäht (Schnittbesprechung demnächst).

Um Stoff zu sparen, habe ich das zweite Probemodell z. T. aus dem ersten Probemodell genäht. Leider ist mir erst danach eingefallen, dass es, um den Unterschied zu zeigen, sinnvoll gewesen wäre, auch das erste Probemodell zu fotografieren; und natürlich wären Bilder an mir auch aussagekräftiger, weil die Puppe trotz derselben Maße andere Proportionen hat, angefangen mit den Schultern. Der Fotograf stand leider nicht zur Verfügung; und im Augenblick weiß ich nicht mal, wo der Selbstauslöser ist. Vielleicht hole ich das mit den Tragebildern vom Probemodell nach…

Hier nun ein Überblick über die Passformprobleme und den entsprechenden Änderungen:

1) Das Rückenteil

Damals hatte ich den Eindruck, dem Oberteil fehle es an Länge. In Bewegung rutschte die Taillenlinie des Vorderteils mehrere Zentimeter hoch und ich hatte immer das Bedürfnis das Kleid nach vorn und unten zu ziehen. Also habe ich damals an den Verlängerungslinien, die im Schnitt enthalten sind, vorne und hinten 2 cm eingefügt, worauf einige von Euch zu Recht meinten, der Rücken hätte nun zu viel Länge. An dem unangenehmen Tragegefühl änderte sich dadurch nichts, im Gegenteil: Als ich den Ausschnitt in der finalen Version mit einem Knopf schloss, fühlte ich mich von dem Kleid leicht gewürgt, als hätte sich hinten im Saum etwas verfangen und würde ständig Zug nach unten geben. Ich habe es nach dem „Shooting“ nie wieder angehabt.

Die erste Frage der Schneiderin mit Blick auf die Schnittteile war, ob ich mich vielleicht beim Abpausen vertan hätte, Vorder- und Rückenteil sehen zu ähnlich aus! Über den Schulterblättern bräuchte es mehr Länge, weshalb sie 2,5 cm im Rückenteil einfügte, und zwar nicht auf der eingezeichneten Verlängerungslinie kurz über Taille, sondern ungefähr auf Mitte des Armlochs. Ta-Da! Der unangenehme Zug war weg. Die Schulternaht rotiert leicht nach vorn und das Vorderteil endet nun auf Höhe meiner Taille.

2) Der Ausschnitt

Die Zeichnung von Prudence, weshalb ich den Schnitt gekauft habe, zeigt einen Mandarinkragen über einem Tropfenausschnitt. Schaut man sich die Modellfotos auf der Colette-Seite an, sieht man eher einen Kelchkragen; und bei den meisten Umsetzungen im Netz wird daraus ein V-Ausschnitt. Ich hatte das Problem damals zu lösen versucht, indem ich die Halsabnäher ausgelassen bzw. im Rückteil darauf verzichtet habe. Ohne Erfolg! Da fehlte immer noch ordentlich Stoff, und das, obwohl ich für mein Empfinden nicht gerade das Modell Stiernacken bin.

Die Schnittteile entsprechen eher den Modellfotos von Prudence. Ich möchte aber die Zeichnung! Habt Ihr eigentlich die rot lackierten Fingernägel der Figurine bemerkt? Bei der Schneiderin bekam das Oberteil nun eine Naht in der Vorderen Mitte und sie zeichnete den Ausschnitt so, dass der Mandarin über die VM hinausragt. Et voila! Nun lässt er sich schließen.

 3) Designzugabe

Auch was den Sitz von Prudence betrifft, lässt der Schnitt verschiedene Interpretationen zu. Wie gesagt, mein Fokus ist die Zeichnung; außerdem sprechen die Taillenabnäher meiner Meinung nach eher für eine körpernahe Passform. Also hat die Schneiderin im Vorderteil an der Taille über die Abnäher noch 2 cm herausgenommen. Beim nächsten Mal wollten wir schauen, ob wir hinten auch noch Weite herausnehmen. Momentan tendiere ich dazu, das Kleid nicht ganz auf Taille zu zimmern, weil die finale Version zum einen aus Viskose sein wird, zum anderen noch ein Unterkleid und eine Strumpfhose darunter passen müssen, nicht zu vergessen, das Weihnachtsmenü! Ja, ich habe, was den Zeitplan betrifft, noch nicht aufgegeben.

+++

Wo ist eigentlich die Grenze? Wann handelt sich um Anpassungen, die durch individuelle Abweichungen vom Grundschnitt eines Schnittmusterherstellers notwendig werden? Denn wer entspricht schon 100% einer Passformtabelle. Andererseits, wann gilt ein Schnitt als missglückt? Wenn er weniger als 70%, 50%, 30% usw. der Kund*innen ohne aufwändige Änderungen passt? Und wieweit dürfen Entwurfszeichnung, Modellfoto und Schnittteil voneinander abweichen? Welcher Interpretationsspielraum gilt noch als akzeptabel? In der Vergangenheit haben Colette-Schnitte immer Mal wieder solche Fragen aufgeworfen und die Gemüter erhitzt, leider mitunter bis zum digitalen Wutausbruch.

Das war’s von mir heute, ich muss los, da ich zum Frühstücken verabredet bin. Ich kränkle nun auch und lege mich erstmal wieder hin.

Euch einen schönen dritten Advent!

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13 Kommentare

  1. Das liest sich alles so spannend und ich bin wirklich sehr gespannt. Den Schnitt habe ich ja ebenfalls noch hier. Als ich damals deine Ausführungen las, habe ich meinen erst einmal beiseite gelegt. Praktisch, dass du dir ab und an professionelle Hilfe holen kannst. Dann wird das sicher was. Gute Besserung!

    LG Carola

  2. Eine clevere Idee, dir Hilfe vom Profi zu holen; damit kommst du jetzt sicher zu einem befriedigenden Ergebnis, das du gerne tragen wirst und nebenher nimmt man bei so einer Beratung ja auch eine Menge mit.
    Ich wünsche dir weiter gutes Gelingen .
    LG und einen schönen 3.Advent wünsch Susanne

  3. Eine gute Idee, so ein Zitterkleid von einer gelernten Schneiderin abstecken zu lassen. Da wird das Nähen des richtigen Kleides dann hoffentlich ohne weitere Probleme flutschen. Ich drücke die Daumen, dass sie das Kränkeln nicht zu einer großen Grippe entwickelt. Liebe Grüße Christiane

  4. Ich drücke Dir die Daumen für dieses tolle Nähprojekt! Professionelle Hilfe hole ich mir übrigens auch regelmäßig im Nähkurs. Gute Besserung und weiterhin viel Spaß beim Nähen! Julia

  5. Gute Besserung und viel Erfolg. Das Kleid ist wunderschön und ich kann verstehen, dass dich der Schnitt gereizt hat.
    Liebe Grüße
    Sylvia

  6. Na wenn du jetzt einen Fachmann zur Seite, steht dem erfolgreichen umsetzten des Schnittes nichts entgegen. Auch all deine Wünschen ans Kleid, die beim ersten mal untergingen, können jetzt berücksichtigt werden.
    Die Fachkenntniss und Erfahrung eines Profis bezüglich Passform und Schnittführung ist einfach unübertroffen.
    LG Sabine

  7. Eine sehr spannende Geschichte – ich gehörte ja auch zu den Abratenden und umso mehr bin ich nun sehr neugierig auf das Ergebnis. Jedenfalls freue ich mich, dass die Fachfrau schonmal helfen konnte und wir alle daran teilhaben können – vielen Dank dafür und gute Besserung!

    Übrigens ist der Probestoff eigentlich auch sehr süß 🙂

    Liebe Grüße, Anne

  8. Das sieht nach einem extrem spannenden Projekt aus. Der Schnitt ist ja was ganz Besonderes. Ich liebe diese Art von Kragen. Und sich Hilfe zu holen ist doch nichts verwerfliches. Zugucken und lernen ist die Devise . Und allemal besser, als den schönen Stoff entsorgen zu müssen. LG Anke

  9. Neee, für mich ist die Grenze da überschritten, Schnitt verkackt Colette! Schön dass die Figurine aber rote Fingernägel hat 😀
    Voll spannend was du da so schneiderst und was die Schneiderin so sagt!
    Gute Besserung!
    Katharina

  10. Gute Idee, es noch mal zu probieren, wenn ich es auch dramatisch finde, dass soviel geändert werden muss. Weiterempfehlen kann man den Schnitt sicher nicht. Bin gespannt, was du vom Unterkleid hälst. LG Anja

  11. Der Kragen macht das Anpassen kompliziert, weil er spannen kann. Den müsste man erstmal aussenvor lassen. Dieser Schnitt funktioniert nur, wenn die Grundlage ein Massschnitt ist meiner Meinung nach. Auch die Erweiterungen machen es schwer, den Grundschnitt noch zu erkennen. Dennoch könntest du den Schnitt mit einem passenden anderen Oberteil vergleichen. Wichtig ist auch, dass das Kleid nicht aufsitzt, d.
    h. an der Hüfte weit genug ist. Deshalb würde ich Oberteil und Rockteil getrennt voneinander betrachten. Viel Arbeit… Ein Schnitt sollte nach Normmassen konzipiert sein ohne Wenn und Aber, dann weiß jeder, woran er ist, finde ich. Es gibt schließlich entsprechende Tabellen. Viele Grüße! Regina

  12. Wow… Auf den Post zum Unterkleid bin ich extrem gespannt, ich brauche auch eins!!! Einzelberatung durch eine Schneiderin klingt toll! Die Anpassungen an den Schnitt finde ich auch eher abschreckend, aber das Kleid wird dann um so wertvoller für dich sein, nach diesem Werdegang… LG Sarah

  13. Also so wie du das schilderst, hätte ich schon längst einen Anfall bekommen. Ich glaub kein Schnittmusterhersteller der Welt kann verlangen, dass man eine Schneiderin an der Hand hat, die einem mit solch umfangreichen Änderungen hilft. Respekt, dass du die Muße noch nicht verloren hast. Der Ausschnitt sieht echt schön aus, bin gespannt, wie es dann fertig aussieht und hoffe, du wirst es häufiger tragen als die letzte Variante.
    Viele Grüße!
    Jenny

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