Wo ist nur die Zeit geblieben? Gestern war der Termin, um das Ergebnis von Fails! zu präsentieren, meiner Jahres-Challenge, in der es um Schnitte auf Wiedervorlage geht. Für die zweite Runde hatte ich mir die Bluse Sencha von Colette Patterns nochmals vorgenommen, die beim ersten Mal so gar nicht passte. Offen geblieben war im letzten Post, ob ich über Schnittanpassung, Pattern Hack oder über die Abwandlung eines Grundschnittes zum Ziel kommen wollte… Gerne hätte ich alle drei Möglichkeiten ausprobiert und die Ergebnisse miteinander verglichen. Da ich Bettwäsche aussortiert habe, die an den Ecken und Kanten zerschlissen war, habe ich gerade genug Stoff zum Experimentieren.
Option Eins fiel wegen COVID-19 flach: Der Nähkurs findet z. Zt. nicht statt, ich hätte für die Schnittanpassung gern wieder die Hilfe der Schneiderin in Anspruch genommen. Als ich den Post zu Fails! 2.1 in der elften Kalenderwoche von unterwegs schrieb, habe ich mir nicht vorstellen können, dass kurz nach unserer Rückkehr das Schengener Abkommen ausgesetzt und nur zwei Wochen später das gesellschaftliche Leben in nie gekannter Weise stillgelegt wird. Anders als erwartet, bin ich aber nicht mehr im Netz unterwegs, sondern weniger. Was mir in den letzten Wochen mehr aufgestoßen ist als das Virus selbst ist z. T. der Umgang damit. Einerseits nerven mich Panikmache und Blockwart-Mentalität; anderseits braut sich unter dem Deckmantel der Verteidigung von Grundrechten vor der Berliner Volksbühne ebenfalls Ungutes zusammen. Wenigstens den viralen Effekten in den sozialen Medien kann man sich entziehen.
Sabines Lieblings-Vintage-Schnitt
Doch zurück zum Thema: Pattern Hack kam mir am meisten entgegen und so habe ich drei Schnitte als Grundlage für Sencha ausprobiert. Ungeachtet meines Gemeckers über die sozialen Medien gibt es andererseits wirklich berührende Momente! So hatte ich Anfang April Post aus der Schweiz im Briefkasten. Sabine (Petersilie&Co) hat mir ihren Lieblingsschnitt aus der Zeitschrift Frau und Mutter von 1951 kopiert. Einfach so. Wie nett ist das denn? Nochmals danke!
Da ich in der Brust etwas über dem von Sabine angegebenen Umfang liege, habe ich ein Probemodell aus dem ausrangierten Kopfkissenbezug genäht. An der Brust sitzt die Bluse etwas spack, da müsste ich Weite zugeben. Insgesamt fällt Sencha blusiger. Wenn ich diesen Schnitt dafür verwende, würde ich hoch gradieren. Was an dem Vintage-Schnitt vielleicht besonders ist, sind die vorderen Taillenabnäher. Gewöhnlich haben diese die Form einer Raute, hier sind sie mandelförmig, was eine sehr feminine Silhouette zaubert.
Fazit: Zu Recht ein Lieblingsschnitt, dessen Ausschnitt sich bei Bedarf leicht abwandeln lässt. Ich habe da schon eine Idee…
Schluppenbluse aus Rock’A’Bella von Gertie Hirsch
Beim Durchschauen meiner eigenen Schnittsammlung fiel mir die Schluppenbluse aus Gerties erstem Buch auf: Auch sie hat angeschnittene Ärmel, französische Abnäher vorn und wird wie Sencha im Rücken geknöpft. Meine Mutter hat mir das Buch vor einigen Jahren geschenkt. Obwohl mir die Schnitte nach wie vor gefallen, habe ich nie etwas daraus genäht. Mich haben die Kritiken diverser Bloggerinnen bezüglich der Passform abgeschreckt.
Ich besitze die zweite Auflage von Gerties Rock’a’Bella; irgendwie hatte ich gehofft, dass die Mängel bei Neuauflage korrigiert worden seien. Doch der Ausschnitt ist nach wie vor zu eng (hier schon kritisiert) – so eng, dass die Schulternaht aussieht, als sei sie nach vorn verlegt (hier bereits thematisiert). Wenn man den Ausschnitt vergrößert (Notiz für mich: ca. 2 cm) und noch vertieft (ich habe beim Probemodell nur eingeschnitten), rutscht die Schulternaht nach hinten und das Tragegefühl ist weit angenehmer.
Alles lösbar, dennoch bin ich etwas enttäuscht.
Magyar Keyhole Blouse von Vera Venus
Die Magyar Keyhole Blouse von Vera Venus ist am nächsten an der Sencha Blouse dran. Wie der Colette-Schnitt hat sie anstatt der Abnäher aufspringende Falten in der Taille und am Ausschnitt ein Schlüsselloch. Man kann sich den Schnitt kostenlos herunterladen, allerdings nur in einer Größe.
Ich habe die Bluse 2 cm verlängert und über die Seitennähte und die hintere Mitte insgesamt 3 cm Weite hinausgenommen. Genäht aus einem Baumwollstoff aus dem Lager, auch der karamellfarbige Knopf ist aus dem Bestand. Da ich fast ausschließlich vor Ort kaufe, fällt mir Stoffsparen im Moment nicht schwer. Schlitz hinten und Schlüsselloch vorn, geschweige denn gleich drei Cut outs, fand ich dann doch zu viel, weshalb ich eine reduzierte Variante des Schnittes gemacht habe. Stichwort: Tragebares Probemodell. Ich werde wohl die Magyar Blouse für den Sencha Pattern Hack nutzen und nochmals mit Knopfleiste und Schlüsselloch nähen. Einen passenden Stoff dafür mit Krawattenmuster habe ich vorrätig.
Halten wir fest: Termin verpennt, finale Version nicht fertig bekommen, keine Tragebilder, mal ganz zu Schweigen von der geplanten Schnittanpassung bzw. -konstruktion. Ich würde sagen, da geht noch was! Zum Glück kommen noch ein paar Runden von Fails!…
Sabine Petersilie&Co
Schön, das mein Lieblingsschnitt auch bei dir Potenzial hat, ein Lieblingsschnitt zu werden. Ich glaube der ursprünglich abkopierte Schnitt war ein bisschen lockerer geschnitten und es könnte es sein, dass auch die Abnäher mal gerade waren, aber dazu müsste ich die letzte Version (auf mich perfekt angepassten Schnitt), die ich dir auch zugeschickt habe, mit dem Original abgleichen.
Aber ich bin gespannt was du noch aus dem Schnitt machst, den da kann man noch viel mehr daraus machen als ich bisher gemacht habe. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir im Nähkurs ziemlich radikal in der vorderen Mitte ein zwei Zentimeter rausgenommen haben. Wenn der Schnittmusterbogen nicht unauffindbar vergraben ist, gleiche da gerne mal ab.
Und gerade so augenscheinlich langweilige Fotos an der Puppe sind ideal um die sehr ähnlichen aber doch unterschiedlichen Schnitte direkt zu vergleichen
Manuela
Falls sich die Gelegenheit mal ergibt und Du abgleichen kannst, würde ich mich freuen, wenn Du mich wissen lässt, was dabei rausgekommen ist; tatsächlich fehlen mir die 2 cm vorne: Die Puppe lässt sich zwar auf denselben BU stellen, aber es ist eben keine maßgeschneiderte Büste…
Schön zu hören, dass es für Prozess- und Technikposts offenbar auch eine kleine, feine Leserschaft gibt.
Dank Dir & LG Manuela
Sabine PeterSilie&Co
So ich habe jetzt mal meinen modifizierte Schnitt mit dem Original abgeglichen. Hinten und vorne habe ich die weite um 3 cm reduziert (also an der vorderen und hinteren Mitte 1,5 cm Papier ankleben), des weiteren habe ich den Ausschnitt um 5 cm an der Schulternaht weniger breit gemacht (kann man so lassen, sonst ist der Ausschnitt vermutlich gleich so gross, dass die Bluse von den Schultern rutscht. Und die Kurve in der Achsel war sanfter, des weiteren die Abnäher waren nicht geschwungen (aber dementsprechend weniger hübsch)
Die Originalgrösse ist auf eine Oberweite von 96 cm und einer Taille von 80 cm ausgelegt. Ich vermute, wenn du das was ich radikal an Weite entfernt habe, wieder zugibst sollte die Bluse perfekt passen.
LG Sabine
Manuela
Sabine, Du bist ein Schatz! Merci.
Oh je, und ich habe die geschwungene Abnäherform für Vintage gehalten, da ich so eine Form vorher noch nie gesehen hatte…
Sabine PeterSilie&Co
Macht nix, Linsenförmige oder S förmige Abnäher ermöglichen einfach ein besseres Anpassen an die Körperform. Gerade sind bei mir Abnäher meist nur vorm Anpassen.
Allerdings habe ich ein zwei Schnitte mit geschwungenen Annähern und zum Beispiel arbeite ich gerade an einem Dirndl mit S förmige Abnäher, da soll der Körper ja bestmöglich vom Stoff nachgeformt werden ohne Luft und so
LG Sabine
Susanne
Ja, die Corona-Nachrichtenschwemme macht einen ganz kirre; mittlerweile checke ich nur noch einmal am Tag den Stand der Dinge und schaue, wie gewohnt, täglich die Tagesschau.
Den kopierten Lieblingsschnitt finde ich richtig hübsch; so schön feminin und die Version für deinen geplanten Hack sieht schon richtig gut aus.
LG von Susanne
Manuela
Scheinbar werden wir alle langsam kirre… Zumindest beobachte ich, dass sich die Positionen zunehmend verhärten und der Ton um mich herum in den sozialen Medien wie auch im Alltag ruppiger wird. Gestern war ich z. B. im Supermarkt, ein älterer Herr hatte beim Betreten sein Tuch vergessen übers Gesicht zu ziehen; m. E. augenscheinlich bloß vergessen, denn es baumelte ihm sichtbar um den Hals. Sofort wurde er von mehreren Leuten aufs Übelste beschimpft!?
Danke Susanne für Deinen lieben Kommentar.
Herzliche Grüße, Manuela
fetzich
Du schreibst das hier einfach so herunter, als wäre es nix, mal eben drei Blusenschnitte zu vernähen 🙂 Mir gefällt besonders die Magyar Keyhole Blouse, die schmale Taille und breiten Schultern machen sicher eine sehr gute Figur! Deine Enttäuschung über die Schluppenbluse von Rock’a’Bella kann ich sehr gut nachvollziehen. Selbst wenn mir die nötigen Änderungen leicht von der Hand gehen würden, hätte ich damit glaube ich Motivationsprobleme. Beim Lesen der Berichte vom zu engen Kragen, bekomm ich Beklemmungen und diekt Lust etwas ganz anderes zu nähen 😀
Liebe Grüße
Jenny
Manuela
Ach, ich finde, Probemodelle sind ein wenig wie Renovieren: Das Abkleben und die Fußleisten dauern am längsten, während man die Wände nur so runter metert. Ohne Säume, Belege, Knöpfe etc. gehen Probemodelle eigentlich recht fix…
Dankeschön & liebe Grüße,
Manuela
Fröbelina
Hat ja alles keine Eile finde ich! Und dein Blogpost war trotzdem sehr spannend zu lesen. Ich bin gespannt was du aus den beiden verwendbaren Schnitten machst und habe jetzt auch Lust mir eine Bluse zu nähen!
Liebe Grüße
Katharina
Manuela
Freut mich zu hören!
Ich drücke Dir die Daumen, dass Du bald Dein Nähzimmer wieder auspacken kannst. Nicht ganz uneigennützig, ich vermisse Deine Sachen.
Danke & liebe Grüße, Manuela
formspielerins werke
Wegen deiner Sencha-Bluse habe ich mich nochmal an mein Basicshirt von 2017, was eher ein Pullunderist, gesetzt und da die Armlöcher weniger weit gemacht. Ich finde die nämlich auch ganz hübsch, so als Top. Deine ist doch gut gelungen! Regina
Manuela
Oh, wie schön. Ich hoffe, Du zeigst Deine Version!
Danke & LG Manuela
formspielerins werke
Ja, demnächst auch auf dem Blog. (Schäm, nur bei Instagram bis jetzt.)