No. 16 Sevilla von How to do Fashion

Wann ist eigentlich die Vintage-Näherei aus der Mode gekommen? War es 2013 oder 2014 als Hosen die Kleider mit den weit schwingenden Röcken auf den Blogs abzulösen begannen? Natürlich gibt es hier und da noch Blogger*innen, die Vintage-Schnitte zeigen, aber es sind einzelne, die nach originalen Schnittmustern und weniger nach Retro-Schnitten nähen und über Schnittmustersammlungen verfügen, um die ich sie zutiefst beneide … hach nur einen Nachmittag in all diesen Zeitschriften schmökern!

Vielleicht täusche ich mich ja. Aber der Bedarf nach Retro-Schnitten ist heute nicht mehr im selben Maße da. Viele Indie-Labels, wie z. B. Tilly and the Buttons oder Colette Patterns, die damit angefangen haben, haben ihre Designs entsprechend angepasst. So hat es mich auch wenig überrascht, dass die kleine Kollektion, bestehend aus vier Schnitten, von How to do Fashion, die vor ein paar Monaten erschienen ist, kein starkes Echo gefunden hat; zumindest sieht man kaum Umsetzungen im Netz.

Da No. 00 Danmark und No. 7 Vanlose nach wie vor Sommerlieblinge sind, die ich oft trage, habe ich schließlich zwei Schnitte der neuen Kollektion gekauft, auch wenn ich selbst nicht so die Vintage-Trägerin bin – ich lese eher bei Anderen gern darüber…

Schnitt & Stoff

… und wie ich festgestellt habe: Ich nähe Retro-Schnitte gern, einfach weil sie schnitttechnisch raffinierter sind. Im Laufe der Jahrzehnte sind Schnitte ja immer einfacher geworden – vielleicht neben dem aktuellem Trend zu oversize und boxy ein Tribut an eine global operierende Textilindustrie. So gefällt mir No. 16 Sevilla auch wegen seiner Spielereien: Empire-Linie; darüber Falten im Vorderteil, Abnäher im Rückenteil; darunter wird der Rockteil durch Prinzessnähte auf Figur gebracht; Schlüsselloch-Ausschnitt und v. a. Wechsel des Fadenlaufs; das Oberteil wird im Schrägschnitt zugeschnitten. Verspielt geht also auch ohne Rüschen.

Genäht aus einem karierten Baumwollstoff mit Elasthananteil, wie in der Anleitung auch empfohlen! Karos, finde ich, bieten sich für Richtungswechsel besonders an – neben Streifen. Okay, dass sie dann überall auch aufeinander passen, muss ich wohl noch üben.

Größe, Passform & Anpassungen

Bei How to do Fashion passt mir laut Maßtabelle Gr. 38. Da die Bewegungs- und Designzugaben aber für heutige Verhältnisse recht knapp bemessen sind (die finalen Maße sind angegeben), habe ich mich für Gr. 40 entschieden. Momentan nähe ich gern mal zu groß… So auch hier. Das Probemodell war mir vor allem in der Taille zu weit. Da ich zu faul war, den Schnitt nochmals abzupausen, habe ich beim Versäubern der Rockbahnen vor dem Zusammennähen das Messer der Overlock nicht hochgeklappt und großzügig abgekettelt. Mit dem Ergebnis: Die Falte im Oberteil traf nicht mehr auf die Prinzessnaht im Rockteil, weshalb die Mehrweite bei mir nun gekräuselt ist. Die Falte größer legen, sah irgendwie doof aus. Den Meerjungfrauenrock im Schnitt habe ich begradigt – das war mir zu viel Drama. Damit ich in dem Kleid laufen kann, habe ich alternativ an der Seite zwei Schlitze eingefügt.

Anleitung & Schwierigkeitsgrad

Die knappen Anleitungen von How to do Fashion finden sich auf der Website, was nicht meins ist, aber den Vorteil hat, dass man sie sich vor Kauf des Schnittes anschauen kann. Sicherlich kein Anfängerprojekt, aber dennoch ist das Kleid nicht allzu schwer zu nähen.

Was gefällt, was nicht? Nochmals nähen? Weiterempfehlen?

Nochmals nähen? Nein. Es ist bereits die zweite Version. In meiner ersten Version würde ich auf einem Stehempfang bella figura machen, sitzen tut es sich darin nicht bequem. Deshalb habe ich auch den Elasthangehalt im Stoff so betont. Die Empfehlung der Designerin macht hier durchaus Sinn. Der Stretch gleicht die geringe Bewegungszugabe beim Sitzen aus. Ich mag die Linie des Kleides gern, auch wenn es mich (vielleicht durch meine Abwandlungen) an Butterick 5813 erinnert. Weiterempfehlen? Ja. Nicht ganz uneigennützig, denn wie gesagt, ich lese Posts über Vintage-Mode sehr gern.

Den MMM letzte Woche habe ich leider verpasst. Der Fotograf war krank und ich habe mir Sorgen um ihn gemacht. An Bloggen war nicht zu denken und mir war auch nicht danach. Für alle, die einen anderen Post erwartet haben. An der Sape-Geschichte bin ich noch dran. Mehr dazu demnächst…

Euch noch eine schöne Woche.

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20 Kommentare

  1. Mir geht es wie dir, ich lese und schaue mir sehr gern die Vintagemode an, aber der Look passt nicht recht in meinen Alltag.
    Und natürlich ist es spannender, einen interessanten Vintageschnitt zu nähen, als die momentan recht formlose Oversizemode, aber, wie gesagt, es passt halt nicht in meinen Alltag.
    Das Kleid ist entzückend; ich mag Empirekleider und die Details sind einfach hübsch.
    Herzliche Grüße von Susanne

    • Manuela

      Vielen, lieben Dank Susanne.
      Ja, genau das ist die Frage, die ich mir auch jedes Mal bei einem Retro-Schnitt stelle: Wann und wo willst Du das im Alltag tragen? Und oft fällt mir keine Antwort darauf ein. Mitunter versuche ich es mit Down-Dressen, sei es wie hier durch die Stoffwahl und das Weglassen von Details. Wenn mir gar nichts mehr einfällt, ziehe ich Sneaker oder Gummistiefel dazu an…
      Herzliche Grüße Manuela

  2. Liebe Manuela, ich weiß nicht, ob die Zeit der Vintagemode auf den Blogs vorbei ist, oder ob wir sie einfach nicht mehr wahrnehmen. Mit Sicherheit ist es so , daß die meisten aktuellen Selbernäherinnen schon einen Hang zu schnellen Jerseyprojekten haben. Ich will das gar nicht werten, jede näht sicher das, was am besten in ihr Leben paßt. Und so ein Vintagekleid, das paßt nach meinem Gefühl schon eher in die Zeit, in der Frauen im Salon repräsentieren oder an der Seite ihres Mannes eine gute Figur machen mußten. Und natürlich war auch die Hausschneiderin für die perfekte Anpassung notwendig. Das Originalmodell von Howtotofashion würde ich mir nicht nähen, Deine etwas “entschärfte ” Version spricht mich dagegen sehr an. Und mit Sneakers kombiniert könnte ich es mir auch gut als Alltagsmodell vorstellen!
    Wie schön, daß es Deinem Fotografen wieder besser geht!
    Liebe Grüße, Barbara

    • Manuela

      Herzlichen Dank Barbara! Das richte ich ihm aus.
      Er war ja der Meinung, dass der Schnitt nicht tragbar bzw. eher Kostüm als Kleidung sei. Ohne Abwandlung hätte ich mir das Kleid sicherlich auch nicht genäht. Überhaupt habe ich mich gefragt, wer die jüngste Kollektion von HTDF kaufen soll. Alle aktiven Vintage-Blogger*innen, die mir so einfallen, sammeln originale Schnittmuster und die Masse der Blogger*innen und Instagrammer*innen ist längst weiter gezogen und bevorzugt moderne Designs. Viele Indie-Labels haben darauf auch reagiert.
      Dank Dir für den Austausch & liebe Grüße
      Manuela

  3. ich finde das Kleid auch sehr schön und durchaus für den Alltag geeignet, oftmals kommt es ja auch auf das Drumherum mit Frisur, Schuhen, etc. an, damit es vintage/retro aussieht.
    Der andere von dir angesprochene Punkt ist mir auch aufgefallen- Säcke sind Trend, das hat sich in den letzten 4-5 Jahren sehr verändert…viele freuen sich drüber und ich sitze es aus- immerhin ist das (Retro-)Schnittmusterlager gut gefüllt ;)).
    Richtig vintage trage ich allerdings auch nicht, meistens picke ich mir eher einzelne Elemente raus und am Ende kommt sowas wie “Lindy Hop Style” dabei raus (zumindest beschreibt der Begriff unter der Google-Bildersuche am ehesten das, was ich meine ;))
    LG Maria

    • Manuela

      Dankeschön!
      Da hast Du wohl recht. Mit Styling lässt sich viel machen, sowohl in die eine als auch andere Richtung: Zeitlose Schnitte retro aussehen zu lassen, wie auch Vintage-Elementen einen modernen Touch zu verleihen. Von letzterem würde ich mir persönlich mehr wünschen. Lindy Hop Style musste ich erst einmal googlen und bin nun kurz davor, mich für einen Swing Kurs anzumelden…
      Liebe Grüße Manuela

      • ach Mensch, wieso wohnst du nicht bei mir um die Ecke, ich würde glatt nen Kurs mitmachen! 😀 (überlege schon seit ner Weile über das wie und wo und mit wem….)
        LG Maria

        • Manuela

          Ja, echt schade! Aber uns bleibt der Austausch über den Lindy Hop Style… LG Manuela

  4. Also wenn du mal in meiner Gegend bist, kannst du gerne einen Blick in meine Sammlung werfen. Die werde ich auch dann aufheben, sollte sich mein Geschmack von Vintage weckentwickeln.
    Zu Vintage im Alltag, kann ich nur sagen, es kommt echt aufs Styling ab, bei mir sind meine Vintagekleider Freizeitkleidung, da ich mir die nicht in der Arbeit in der Werkstatt ruinieren möchte.

    Und zu den neuen Schnitten von How to do Fashion, ich finde den Schnitt Sevilla fabelhaft, allerdings nähe ich echt selten mit Indie Patterns bzw ich komme nie in den Laden mit der unsäglichen Bedingungen der die Schnitte hätte und pdfs finde ich schrecklich.

    Lg Sabine

    • Manuela

      Danke für das Angebot! Vorsicht, ich nehme Dich beim Wort…
      Du bist das beste Beispiel für das, was ich meine: Diejenigen, die diese Schnitte ansprechen, nähen gewöhnlich keine Indie-Patterns, sei es, weil sie über große Sammlungen von Originalschnitten verfügen, PDFs “schrecklich” finden usw., während der “Lindy Hop Fraktion”, zu der ich mich eher auch zählen würde, das zu viel retro ist. Und ich glaube, das war, da würde ich Maria zustimmen, vor 5 Jahren noch anders: handmade & retro gingen viel stärker Hand in Hand, während heutzutage mehr genäht wird, was es auch an Bekleidung zu kaufen gibt.
      LG Manuela

      • Du bist jederzeit herzlich willkommen, kannst ja Maria von Fadenwechsel fragen, wie es so bei mir ist. Und mein Terminkalender ist gerade leer bzw ich mag es nicht wenn alles vollgestopft ist. Nur der Dienstag Abend mit dem Nähkurs ist heilig.

        Den einen oder anderen Indie Schnitt finde ich echt schön, kann mir aber sicher sein, was ähnliches in meiner großen Sammlung zu finden.
        Und bisher hatte ich bei meinen Vintage viel weniger Drama bei der Passform, als bei den Indies. Das ich mir dann meist schwöre ab sofort nur mehr diese oder jene Vintage Magazine zu verwenden.

        Ich bin jetzt selber auch nicht 100% in der true Vintage Schiene unterwegs (das wird schnell auch mal ein bisschen bieder), vor allem wenn ich roten Lippenstift und Eyeliner weglasse und in der kühlen Saison kommt auch die Jeans oft zum Zug.
        Ich denke man sollte da immer eine schöne Mischung aus Zeitgemäß und der Eleganz und Feminimität der Retro Schnitte finden.

        Wie sich die Nähszene inzwischen so langfristig verändert hat, kann ich nicht so gut beurteilen, da ich da noch nicht so lange mit dabei bin.
        Lg Sabine

        • Manuela

          Dankeschön Sabine! Wenn ich mal in der Nähe von Luzern bin, nehme ich Dein Angebot sehr gern an.
          Ja, das glaube ich sofort, dass man ab einer gewissen Größe immer ein vergleichbares Modell in der eigenen Sammlung findet. Die Kombinationsmöglichen sind nun mal begrenzt…
          Was mich überrascht, dass Du die Anpassung/Passform von Vintage-Schnitten als weniger dramatisch beschreibst. Da hätte ich das Gegenteil vermutet, weil sich Körperformen im Laufe der Jahrzehnte ja schon verändert haben (andere Ernährungs- & Bewegungsgewohnheiten usw.). Spannend!
          LG Manuela

  5. Liebe Manuela, dein Kleid gefällt mir, vor allem die Abwandlung, das Original hätte ich kaum erkannt. Interessant die Diskussion zur Vintage Näherei, ja stimmt, es gibt diese Veränderung, aber wir bekommen natürlich auch nur einen Bruchteil derjenigen mit, die selbst nähen und nicht die vielen, die nähen und nichts oder nichts mehr mit sozialen Medien zu tun haben. Unabhängig davon finde ich, dass man alles immer anziehen kann, sofern man sich darin wohl fühlt. Für mich heißt das: Bewegungsfreiheit und sich angenehm anfühlende und pflegeleichte Materialien. Dein gemäßigtes Vintage Kleid scheint diese Kriterien zu erfüllen. LG Anja

    • Manuela

      Herzlichen Dank Anja.
      Guter Punkt! Ich hatte tatsächlich nur die Nähblogger*innen, z. T. noch Instagrammer’*innen im Blick. Aber der Rückzug aus der Blogosphäre/den sozialen Medien hält ja an und es gibt natürlich viel mehr Leute, die in ihrer Freizeit nähen.
      LG Manuela

  6. Erstmal hoffe ich dann dass es deinem Fotografen wieder besser geht und wenn nicht dann wünsche ich gute Besserung!
    Und dass die Mode weniger Vintage und mehr 90er ist finde ich auch schade, undo schöner dass du dir so einen interessanten und schönen Schnitt vorgenommen hast. Das Kleid sieht schön sommerlich aus, mir gefällt die Stoffwahl!
    Liebe Grüße
    Katharina

    • Ja, geht es inzwischen. Danke für die Wünsche!
      Schön, dass Dir das Kleid in dem Stoff gefällt. Die Idee mit dem Richtungswechsel der Karos ist von Dir, zumindest habe ich sie bei einem Neckholder von Dir erstmals bewusst wahrgenommen.
      Herzlichen Dank und liebe Grüße
      Manuela

  7. Der Schnitt sieht wirklich raffiniert aus, aus meiner Sicht verständlich, dass sich da nicht die Breite Masse herantraut. Aber du hast das wieder mal ganz wunderbar umgesetzt. Ist ein tolles Unikat geworden!
    Liebe Grüße
    Jenny

  8. Liebe Manuela,
    mir gefällt sehr, was Du aus dem Sevillia-Schnitt gemacht hast, besonders die Kräuselung unter der Brust, die auch viel mehr retro ist, als die Falte, die der Schnitt vorsieht.
    Den Kommentar über die Ähnlichkeit mit einem Kostüm kann ich beim Originalschnitt sehr gut nachvollziehen . Der Rock ist zwar ziemlich raffiniert, aber alltagstauglich fände ich das nicht.
    Vintage nähe ich selber recht gerne, bzw. die zeitlosen Schnitte aus modernen Heften. Die aktuellen späte-80-er-Schnitte sitze ich ebenfalls aus, zum Glück sind wir Selbernäher nicht auf die Industrie angewiesen und ich habe genug Schnitte aus den “retro 2000-ern”.
    Ich selber kann mich mit vielen der Indie-Schnittmuster nicht anfreunden, sie sind mir einfach zu simpel. Das meiste habe ich dann auch schon bei Burda gesehen, allerdings i.d.R. mit ein paar interessanteren Details.
    How to do Fashion kannte ich noch gar nicht, war mal interessant, dort zu stöbern, danke für den Tipp.
    Viele Grüße, Stefanie

    • Hey, schön von Dir zu hören! Was die Einfachheit vieler Indie-Schnitte hast Du natürlich recht. Hinzu kommt der höhere Preis. Zielgruppe sind, denke ich, eher Anfänger. Und tatsächlich haben sie mir auch am Anfang sehr geholfen, weshalb ich mich einigen Labels immer noch verbunden fühle. Inzwischen kaufe ich aber auch viel weniger…
      Dank Dir & liebe Grüße, Manuela

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