TA-DA! Da ist er, mein neuer alter Harriet Bra. Hach, was finde ich den Schnitt schön, und was habe ich ihn zwischenzeitlich verflucht. Aber von vorn. Die Geschichte beginnt letzten November. Nachdem das Eis einmal gebrochen war, was das Nähen von BHs betrifft, hatte ich Julie innerhalb kürzester Zeit dreimal genäht und fühlte mich beflügelt. In meinem Enthusiasmus bestellte ich zwei weitere Nähpakete (dieses Mal bei Studio Costura) und begann den Harriet Bra von Cloth Habit. Der passte nicht schlecht, er passte gar nicht! Ich fühlte mich nicht gerade beschwingt. Gott sei dank begann dann auch schon der WKSA…
Mit dem Harriet Bra erging es mir, wie H. nach seinem ersten Shirt: Anfängerglück. Da hatte der Mann nach kurzer Einführung einfach los genäht, beim ersten Mal einen super V-Ausschnitt hinbekommen, überhaupt Overlock und Coverlock so souverän gehandhabt, als ob er das seit Jahren macht. Ich war schrecklich stolz auf ihn und grün vor Neid. Seitdem hat H. eine Reihe von Rückschlägen verkraften müssen, wie etwa vier zugeschnittene hintere Hosenbeine oder die Verwechslung von vorderer Mitte und Seitennaht. Mit dem Harriet Bra plumpste ich nun meinerseits auf den Boden der Realität zurück.
Größe, Anpassungen & Passform
Meine Begeisterung für Lingerie rührt also nicht unwesentlich daher, dass der erste Versuch ein Volltreffer, besser sollte ich sagen, ein Glückstreffer war. Ich hatte das Glück, Julie vorher anprobieren zu können. Hätte ich genäht, was ich gemessen habe, wäre auch dieser BH zu klein gewesen. Dementsprechend schwer habe ich mich mit der Größenfindung beim Harriet Bra getan; und am Schluss recht unorthodoxe Pfade beschritten, die ich auch nur bedingt empfehlen kann.
Gemessen wird beim Harriet Bra die Unterbrustweite, welche der Größe des Rahmens entspricht, dann der Brustumfang; der Brustumfang minus die Unterbrustweite ergibt die Körbchengröße. Alle Messungen liefen auf 30E hinaus. Doch der Rahmen war viel zu klein, während die Körbchen zu passen schienen. Also habe ich meinen Traum in Spitze wieder aufgetrennt. Ich sag’s Euch! Ein Albtraum. Und nochmals gemessen. Ja, irgendetwas zwischen 30 und 31 Zoll. Sollte ich wirklich die Einzige mit diesem Problem sein?
Der Harriet Bra ist schon oft genäht und verbloggt worden; eine Auflistung deutschsprachiger Schnittbesprechungen findet Ihr bei Muriel (Nahtzugabe 5cm). In den Kommentaren zu Melanies (500 Days of Sewing) Harriet Bra bin ich schließlich fündig geworden. Auf die genähte Größe hin befragt, antwortete sie, dass sie 34DD genäht habe, obwohl sie etwas anderes gemessen habe, leider erinnere sich nicht, warum – vielleicht wegen der Umrechnung deutscher in amerikanische BH-Größen.
Bei Julie lag ich zwischen 75C und 80B, was umgerechnet einer 34C oder 36B entsprechen würde. Genäht habe ich den Harriet Bra schließlich in 34D, d.h. in der umgerechneten Unterbrustweite und der gemessenen Körbchengröße bzw. einer Kreuzgröße davon (30E = 32 DD = 34D = 36C). Passt! Beim zweiten Harriet Bra habe ich das Band noch 1cm verlängert und den Trägeransatz 7mm nach innen verschoben, weil die Träger in der Originalversion für meinen Geschmack zu weit außen saßen.
Es ist mein erster BH mit einem Rahmen. Bei all meinen anderen, auch den gekauften, sind die Körbchen nur durch einen Steg miteinander verbunden; bis dahin war mir gar nicht bewusst, dass ich mich im Laufe der Jahre offenbar auf ein einziges Modell einschossen habe. Dementsprechend anders ist das Tragegefühl beim Harriet Bra. Mehr Support. Und auch der Look ist anders. Mehr Vintage. Oh Gott nein, er lässt einen nicht älter aussehen, hoffe ich zumindest. Aber er formt ein anderes Dekolleté bzw. eine weniger runde Silhouette mit Retro-Flair. Erinnert sich jemand an Elizabeth Taylor in dem Film Die Katze auf dem heißen Blechdach? Wer gar nicht weiß, wovon ich rede: Auf die Spitze getrieben, im wahrsten Sinne des Wortes, hat Jean Paul Gaultier diese Tendenz zur konischen Formgebung, wie sie für BHs der 30er bis 50er Jahre typisch ist, in dem Korsett, das er für Madonnas Ambition Tour 1990 entworfen hat.
Anleitung & Schwierigkeitsgrad
Seit Julias (eben Julia) BH Sew Along 2015, oder gar Catherines (Allures und Couture) Untendrunter Sew Along zuvor (Blog existiert leider nicht mehr), hat sich viel getan. Inzwischen gibt es eine Vielzahl an Tutorials zum Nähen von Lingerie im Netz, darunter auch zum Harriet Bra. Das ist einerseits super, weil es Lingerie entmystifiziert und zeigt, dass auch das Nähen eines BHs kein Hexenwerk ist, andererseits werden Sew Alongs dadurch entbehrlich(er). Es besteht nicht mehr dieselbe Notwendigkeit, sich über Bezugsquellen und Verarbeitung von Materialien auszutauschen, wie noch vor einigen Jahren. Schon die Anleitung von Cloth Habit nimmt einen wirklich an die Hand, sodass man, selbst wenn man noch nie einen BH genäht hat, den Schnitt gut bewältigen kann, vorausgesetzt man hat seine Größe gefunden.
Anders als in der Anleitung habe ich die Spitze am Ausschnitt allerdings nicht mit Framilon stabilisiert, sondern mit Dekolleté-Gummi; ersteres wäre zwar dezenter gewesen, ich mag aber das Plastikband nicht direkt auf der Haut.
Was gefällt, was nicht? Nochmals nähen? Weiterempfehlen?
Da mir die Aufteilung des dreiteiligen Körbchens ausgesprochen gefällt, werde ich den Harriet Bra sicherlich nochmals nähen. Bei Lingerie kann ich mir vorstellen, mich irgendwann mit einer kleinen Schnittmusterkollektion zu begnügen, die ich dann bei Bedarf rauf unter runter nähe. Schreibe ich das wirklich gerade? Eigentlich bin ich doch ein Pattern-Junkie! Bis es soweit ist, fehlt mir allerdings in der Sammlung noch ein Schnitt für einen laminierten BH, eine Bralette und, und, und…
Warum der Titel? Dieser Post gehört zu meiner Jahresaktion Fails!, die im März „offiziell“ startet. Darin geht es um Pleiten, Pech und Pannen bei unserem liebsten Hobby. Genauer gesagt, um Schnitte, an denen man in der Vergangenheit gescheitert ist, die einen aber nicht loslassen.
Lenelein
Ich finde es super, dass du auch über weniger gelungene Experimente schreibst! Bei BHs nervt es mich, dass man quasi nur nach Fertigstellung anprobieren kann. Und dann meistens wegen der zarten Stoffe Auftrennen unmöglich ist. Kann man nur die Zubehörsachen wiederverwerten… Ich bastel gerade aufgrund von Stillen nur an Bralettes, meine Größe variiert zu stark für normale BHs.
Manuela
Freut mich zu hören! Dankeschön.
Das kann ich gut nachvollziehen. Im Post “Fails! 1.1” habe ich von Mema und Stefanie den Tipp erhalten, mir einen Testrahmen zuzulegen, in dem ich die Körbchen einstecken und so die Passform vorab überprüfen kann. Das hat zwar in diesem Fall nichts genützt, weil es am Rahmen lag, halte ich aber prinzipiell für eine gute Idee. Ich habe meine Körbchen vor Einsetzen auf die eines gut passenden, laminierten Kauf-BHs gesteckt und so die Passform überprüft. Aber Du hast schon recht, das sind alles Hilfsmaßnahmen, so richtig sieht man es erst, wenn das Kind bereits im Brunnen ist.
Liebe Grüße, Manuela
Anja
Bin beeindruckt. Deine BHs sehen sehr luxuriös aus. Mich nervt am BH-Nähen, dass man soviele Kleinteile braucht, die man für nichts anderes brauchen kann und die man nicht einfach mal in kleiner Menge kaufen kann. Klar, es gibt diese Sets, aber die finde ich unverhältmäßig vom Preis. Immerhin verwerte ich Jerseyreste zu Unterhosen, Panties klingt jetzt besser. LG Anja
Manuela
Merci!
Ja, die Sets gibt es nicht gerade für ‘nen Appel & Ei. Wenn sie nicht so teuer wären, hätte ich mir die Mühe des Trennens auch nicht gemacht, umso wenigstens einige Teile wiederverwerten zu können. Hinzu kommt, dass mir die Materialzusammenstellung bisher nie 100% gefallen hat. Notorische Nörglerin, und so… Bei der schwarzen Spitze hat mir z. B. der Trikotstoff zum Unterlegen nicht gefallen, ich habe einfach Tüll genommen. Und Wien2000 bietet tatsächlich kaum unter 1m an, meist wesentlich mehr, ich bin inzwischen stolze Besitzerin von 10m Dekolleté-Gummi…
Wenn Du Wäsche aus Jersey-Resten nähst, könnten aber vielleicht die Zubehör-Sets eine Möglichkeit sein, die gibt es bereits für 10-11€.
Bei allem Wider. Es macht ziemlich großen Spaß!
Liebe Grüße, Manuela
Barbara
Jetzt weiß ich grad nicht, ob Dein Beitrag mir wirklich Mut macht, mich irgendwann ans BH nähen zu machen…wobei Deine genähten Exemplare alle wirkich zauberhaft aussehen! Aber passen sollen sie ja schliesslich auch, und das scheint wirklich mit Arbeit verbunden zu sein. Ich glaube ja, daß das Problem auch im Messen liegt- ich hatte mittlerweile das Vergnügen, daß ich zum dritten Mal professionell vermessen wurde, immer im Rahmen von Kursen, und alle Messungen weichen voneinander ab. Und das liegt nicht an meiner Figur oder an der Qualität der Messungen, sondern jeder mißt wohl irgendwie anders. Und grade im Brustbereich ist doch alles weich und verschieblich, da kann ich mir 2-3 cm Unterschied gut durch verschiedene Meßmethoden vorstellen.
Aber daß Dein Mann mittlerweile Shirts nähen kann – wie toll ist das denn!! Werde ich meinem gleich heute abend erzählen, wenn er wieder mal nörgelt, warum ich ihm kein neues Shirt nähe!
LG Barbara
Manuela
Liebe Barbara, ja, es ist so gekommen, wie Du damals in Deinem Kommentar zu “Nähen für IHN” prognostiziert hast: “meistens wollen die ja immer das gleiche Modell…” Nur, dass er tatsächlich selber näht und denselben Schnitt von Shirt zu Shirt für sich optimiert, sprich angepasst hat.
Ich wäre sehr traurig, wenn ich Dich entmutigt hätte! Es macht nämlich echt viel Spaß. Aus dem von Dir genannten Grund, dass nicht jede Messmethode, wie auch jede Konstruktionsmethode für jeden gleichermaßen geeignet ist, werde ich mich in Zukunft eher an den vorhandenden Modellen mit guter Passform orientieren…
Ich würde mich freuen, wenn Du loslegst! Wenn ich mich recht erinnere, hast Du ja bereits das Material.
LG Manuela
Susanne
Oh, deine BH`s sehen unglaublich attraktiv aus und so richtig nach Luxus-Dessous-Teilchen.
Der Weg zu deiner Größenfindung hat mich verwirrt, aber beim Dessousnähen bin ich eh raus, : ).
Herzliche Grüße von Susanne
Manuela
Dank Dir Susanne für Deine lieben Worte!
Es ist ja auch verwirrend und wie gesagt, nicht unbedingt zu empfehlen! Mit Messen habe ich einen zu kleinen Rahmen und mit nur Umrechnen vom deutschen ins amerikanische Größensystem hätte ich zu kleine Körbchen gehabt. Die Kombination aus beidem, dem gemessenen Körbchen und dem umgerechneten Rahmen hat einen passenden BH ergeben. Schon seltsam.
Viele, liebe Grüße Manuela
Fröbelina
Das ist ja gar kein echter Fail! Ist dich was tolles daraus geworden und du hast was gelernt. BH Größen sind ja auch echt so ne Sache für sich. Selbst wenn man BHs im Laden kauft fallen die ja alle anders aus. Schade ist, dass es so schwer ist Probomodelle zu machen, aber zumindest fand ich es immer sinnvoll erstmal ein Modell aus doofen Materialien zu machen, Gummibandresten die über sind und so, und die Passform zu testen.
Also klingt doch alles gut bei dir, nach dem ganz normalen Prozess. Beeindruckend sogar, dass der zweite Versuch schon passt! Und so gut aussieht!
Liebe Grüße
Katharina
Manuela
Vielen, lieben Dank Katharina.
Das werde ich bei neuen Schnitten in Zukunft auch machen, die Passform zuvor mit “doofen Materialien” testen, am Anfang hatte ich nur noch gar keine Reste…
Herzliche Grüße,
Manuela
fetzich
Hut ab, dass du dich an solche Projekte traust, der BH sieht traumhaft aus. Von wegen Fail, du hast ja irgendwie noch die richtige Größe gefunden und die Verarbeitung sieht perfekt aus. Richtig toll!
Mir gruselts ja vor den feinen Materialien und diesen winzigen Schnitteilen, ich glaub das wär so gar nichts für mich…
Liebe Grüße
Jenny