Clémence von Tilly and the Buttons

An kleinen Dingen merke ich, dass ich alt(-modisch) werde: Anstatt mit Youtube-Videos lerne ich nach wie vor lieber aus Büchern. So habe ich vor ein paar Jahren mithilfe von Schnittmusterbüchern, vorzugsweiser japanischer, mit Nähen angefangen. Inzwischen nähe ich recht wenig daraus. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich vom Special Nähen aus Büchern las, das jeden zweiten Donnerstag im Monat bei Sew La La stattfindet. Für mich ein willkommener Anlass, das eigene Bücherregal neu zu entdecken. Danke für diese schöne Idee.

Schnitt & Stoff

Das ist Clémence aus Tilly Walnes’ (alias Tilly and the Buttons) erstem Buch Liebe auf den ersten Stich in einem beige/creme gestreiften Baumwollstoff von Hüco. Dazu trage ich den Gillian Wrap Pulli, der heute natürlich v-i-e-l zu warm ist.

Angegeben ist für den Rock ein Stoffverbrauch von 150-200 cm bei 140 cm Breite, was ich viel finde. Zum Vergleich, ich habe 130 cm verbraucht; okay, die Taschenbeutel sind aus einem ausrangierten weißen Hemd von H. Einfacherhalber würde ich 2 x die gewünschte Rocklänge rechnen + etwas Spiel für den Bund.

 

Mit Clémence erhält man kein Schnittmuster, sondern die Anleitung für die Konstruktion eines gekräuselten Rockes, der in der hinteren Mitte über einen Reißverschluss geschlossen wird. Man braucht dafür nur drei Maße: den Umfang der Taille, den der Hüfte und die gewünschte Rocklänge. Die drei Schnittteile (für das vordere und hintere Rockteil, sowie den Bund), die man daraus konstruiert, sind simple Rechtecke. Also kein Hexenwerk, sondern neben einem Tellerrock ein schönes Einsteigerprojekt für alle, die sich für Schnittkonstruktion interessieren. – Tue ich, allerdings sind gekräuselte Röcke nicht so meins, weshalb ich mir tatsächlich noch nie einen genäht habe. Die Gelegenheit, das zu ändern; außerdem war mir nach einem Interimsprojekt.

Größe, Passform & Änderungen

Die einzige Stelle, die bei einem solchen Rock passformsensibel ist, ist der Bund. Wer hier schon länger liest, erinnert sich vielleicht an das Desaster bei der Konstruktion meines ersten Tellerrockes; dort ist es ähnlich. Dieses Mal habe ich ordentlich Mehrweite dazu gegeben, mit dem Ergebnis, dass der Bund unter die Taille rutschte und abstand. Das erste war gewollt, das zweite nicht; – das war zwar zu erwarten, ist deshalb aber nicht weniger doof. Einfach enger machen war keine Option, weil der Rock dann gefühlt unter den Achseln sitzen würde. Ich habe das Problem schlussendlich mit einem Formbund gelöst.

Anleitung & Schwierigkeitsgrad

Die mit Fotos bebilderte Anleitung im Buch ist solide gemacht. Am Beispiel von Clémence erlärt Tilly Nähtechniken, wie das Kräuseln, französische Nähte und das Absteppen im Nahtschatten; man sollte wissen: Liebe auf den ersten Stich richtet sich eher an Anfänger. (Zu dem Buch selbst habe ich hier und hier bereits geschrieben.)  Ergänzend gibt es zu Clémence noch Seitennahttaschen (hierfür auch ein Schnittteil!) sowie einen Gürtel. Der Rock ist schnell und einfach genäht, was ihn zum idealen Feierabendprojekt macht.

Was gefällt, was nicht? Nochmals nähen? Weiterempfehlen?

Das Resultat an mir finde ich so-la-la – und eben nicht oh-la-la. Ich fremdle mit der Silhouette: recht mädchenhaft und nicht gerade ein Schlankmacher. Auf der Puppe gefällt mir der Rock, besonders in dem Stoff, bei dem ich warum auch immer an Vanilleeis mit Karamellbonbon denken muss. Insofern gekräuselte Röcke nur aus zwei oder drei rechteckigen Schnittteilen bestehen, eignen sie sich besonders für auffällige Prints, die man nicht zerschneiden mag, sowie für Stoffe mit Bordüren bzw. Musterrapport.

Bevor Ihr nun loslauft, Euch das Buch zu besorgen, lohnt ein Blick in die eigene Schnittmustersammlung. Denn Anleitungen für solche Röcke gibt es nicht zu knapp, so z. B. auch in den Büchern von Tanya Whelan (Kleider nähen) oder Gertie Hirsch (Rock’a’bella; dort verfügt der Bund über einen Untertritt); nicht zuletzt hat Anne (Beswingtes Allerlei) eine Anleitung für einen entsprechenden Rock mit Taschen und Knopfleiste ins Netz gestellt. Einfach so.

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12 Kommentare

  1. Ich schwöre ja auch auf den Formbund bei Rock oder Hose; wenn der Bund nicht gut sitzt, macht das Tragen des Kleidungsstückes einfach keinen Spaß.
    Eine neue Silhouette ist immer erst mal ungewohnt; mir gefällt der Rock an dir und mit deiner Figur kannst du dir die Form sehr gut leisten.
    Ich drück die Daumen, dass du dich eingewöhnst ; Hauptsache, du fühlst dich wohl.
    LG von Susanne

  2. Das Buch finde ich ist das beste nähbuch überhaupt, um mit dem Nähen anzufangen und dann langsam Neues dazu zu lernen. Den Clemence Rock habe ich tatsächlich wegen der Kräusel nicht in Angriff genommen, aber das Taschenteil verwende ich immer wieder, weil die Größe und die Anleitung super sind. Ich weiß gar nicht, was ein Formbund ist und werde es gleich mal ergoogeln. Und schön, dass du bei SewLaLa dabei bist. Die Bücher Idee begeistert mich auch. LG Anja

    • Manuela

      Gegenüber den abgefahrenen Upcyclings, die Du zur Zeit zeigst, ist es natürlich ziemlich brav, aber es richtet sich ja auch an Einsteiger. Gut an dem Buch gefällt mir, dass es nach dem Schal sofort mit dem Bekleidungsnähen für Erwachsene in Webware losgeht. Zudem sind viele der Schnitte recht zeitlos, wenn man mal auf die Zeichnungen schaut. Über den “Schulmädchenstyle” der Fotos muss ich allerdings hinweg blicken …
      Oh, vielleicht hätte ich das mit dem Formbund erläutern müssen. Vereinfacht gesagt, ist der Bund nicht gerade, sondern gebogen und passt sich daher besser den Rundungen des Körpers an.
      Und vielleicht finden sich im Laufe der Zeit noch ein paar Leute …
      Dank Dir und herzliche Grüße,
      Manuela

  3. Liebe Manuela, schön, dass du bei Sew La La dabei bist und danke für die netten Worte zum “Nähen mit Büchern”-Special!! Ich liebe das Buch von Tilly auch, ich habe mir damit das Nähen beigebracht, und meinen Clemence Skirt trage ich immer noch super gerne!! Diesmal hat unsere Sew La La-Losfee leider eine andere Nummer aus dem Topf gezogen, aber das “Nähen mit Büchern” Special findet jeden Monat am jeweils zweiten Donnerstag im Monat statt – wir freuen uns also, wenn du auch beim nächsten Mal wieder dabei bist und deinen Hut in den Ring wirfst! Liebe Grüße, Melanie von The Flying Needle

    • Manuela

      Gern geschehen. Ich finde die Aktion wirklich schön und drücke Euch die Daumen, dass sich “Nähen aus Büchern” im Lauf der Zeit noch stärker etabliert.
      Danke & Liebe Grüße,
      Manuela

  4. Der Rock ist wunderbar und sieht an Dir sehr gut aus….manchmal sind wir zu kritisch….das Buch von Tilly habe ich auch. Gute Anleitungen…
    Habe auch viele Bücher und daraus viel gelernt.
    LG schurrmurr

  5. Ich denke auch dass die Silhouette nur ungewohnt ist für dich, ich finde sie sehr schön an dir 🙂 Schuhe und Pulli passen auch sehr gut zu deinem.neuen Rock. Der Stoff ist auch wirklich hübsch! Vielleicht kannst du dich ja doch noch damit anfreunden 🙂
    Liebe Grüße
    Katharina

  6. Ich glaube, in einem Kräuselrock findet sich jede irgendwie etwas “unschlank”, besonders, wenn man enge Röcke gewohnt ist. Das ist aber eine nicht wirklich objektive Wahrnehmung, und bei einer eher kastigen Figur kann so ein Rock sogar eine echte Taille zaubern.
    Das Problem mit dem Bund ist die Breite. Ein gerader Bund funktioniert nur, wenn er in der Taille bzw. etwas darüber getragen wird. Wenn man einen breiten Bund von der Taille abwärts haben will, braucht er immer Abnäher, oder man entscheidet sich wie Du für einen Formbund. Die Norm-Figur legt zwischen Taille und Hüfte auf ca. 20cm Länge 24cm an Weite zu, da geht das gar nicht anders.
    Mir gefällt Deine Kombination richtig gut und der tiefer gelegte Bund ist in meinen Augen eher ein Figurschmeichler und sieht vor allem sehr erwachsen aus mit dem Shirt.
    Liebe Grüße, Stefanie

    • Erwischt! Ich fühle mich darin “unschlank”, und das ist kein so schönes Tragegefühl … Danke für Deine Ausführungen zum Bund, das hätte ich nicht besser zusammenfassen können. “Erwachsen aussehen” ist wiederum gar nicht so schlecht, meine Mama wirft mir bis heute vor, dass ich nicht erwachsen werde …
      Dank Dir & Liebe Grüße, Manuela

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