12 von 12 – November 2023

Ich weiß nicht, ob es am Novembergrau, den Nachwehen einer Erkältung oder dem nächsten Krieg liegt. Ich hänge zurzeit etwas durch. Doch heute kann ich mich wirklich nicht beschweren. Es ist Sonntag und ich bekomme sogar Frühstück ans Bett gebracht. Dankeschön mein Herz!

Bilder von getracktem Essen und Gruppenfotos von Füßen/Schuhen sind für mich nach wie vor die ultimative Blogger-Ästhetik.

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Auf geht’s! Das Tageslicht genutzt. Wir machen nach dem Frühstück einen längeren Spaziergang durch die Stadt zu einem meiner Lieblingsmuseen. Der Herbst gibt nochmals alles und ich denke: Wie bezaubernd kann doch der Verfall sein…

Hej rup! – Auf geht’s!” So heißt auch die Ausstellung, die wir besuchen, sie gibt einen Überblick über die Tschechische Avantgarde von 1918-1938. Mir ist zwar Karel Teige ein Begriff gewesen, auch kannte ich ein paar surrealistische Fotomontagen aus Prag, doch habe ich in der Ausstellung viel Neues entdeckt. Etwas von der Aufbruchstimmung der Avantgardebewegung überträgt sich auf uns. H. plant schon mal in Gedanken den nächsten Urlaub in Tschechien. Energetisiert verlassen wir das Museum und laufen den Weg zurück.

Der Rest des Tages ist schnell erzählt. Wir bereiten Lasagne zu. Damit geht der Nachmittag zu großen Teilen rum. Danach setzte ich mich an mein “Monstershirt”. Aktueller Anlass – eine Mitgliedschaft in einem Sportstudio; das Yogastudio hatte ich irgendwann während der Pandemie gekündigt.

Viel ist nicht mehr zu tun. Nur noch der Beleg hinten festzunähen. Vorne hat das T-Shirt, das eigentlich ein Sweatshirt ist, ein Bündchen, hinten einen Beleg. Die Anleitung sieht vor, dass die Säume roh belassen – nur mit einer Naht 7mm parallel zur Kante stabilisiert werden. Ich bin mir unsicher, ob mir das nicht eine Spur zu avantgardistisch ist.

Vor einigen Jahren gab es mal viele Posts zu der Frage, ob man lieber Web- oder Strickstoff vernähe. In diesem Kontext las man des Öfteren, dass Jersey mehr verzeihe. Fand ich schon damals nicht! Ein T-Shirt kann genauso schlecht sitzen wie eine Bluse; und dem Träger verzeiht Jersey schon gar nichts. Nicht umsonst meinte Azzedine Alaïa, der in seinen Entwürfen viel mit Stretch gearbeitet hat, dass der Couturier immer auch ein wenig Orthopäde ist (bis zum 23.11. ist noch eine Dokumentation auf Arte über den Modedesigner zu sehen). Auch erinnere ich mich an ein Interview mit Li Edelkoort vor mehreren Jahren, wo sie meinte, dass Bekleidung körperliche Unzulänglichkeiten früher mehr kompensierte. (Vielleicht ein Extrembeispiel dafür: Meine Großmutter hat noch Jacketts für Kriegsversehrte aufgepolstert.) Dagegen würden wir heute, so Edelkoort, mehr in unsere Körper als in unsere Kleidung investieren.

Ich finde Strickstoffe alles andere als trivial, sowohl in der Anpassung aufgrund ihrer unterschiedlichen Dehnbarkeit, als auch in der Verarbeitung. Dennoch komme ich von Zeit zu Zeit auf das Thema zurück. Schließlich bin ich ja mal mit dem Anspruch angetreten bin, meine Sachen weitgehend selber zu nähen… Auch wenn ich das längst nicht mehr so eng sehe, wie noch vor ein paar Jahren.

Solchen u.ä. Gedanken hänge ich nach, während ich nach dem Abendbrot (Lasagne + Salat) die Bilder des Tages sichte und den Post für Caros (Draußen nur Kännchen!) Aktion 12 von 12 schreibe.

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17 Kommentare

  1. In Sachen Jersey-Verabeitung kann ich Dir nur zustimmen – allein die unterschiedliche Dehnbarkeit der Stoffe kann mich schon zur Verzweiflung bringen. Aber: auch hier wurde ein T-shirt fertig!
    Liebe Grüsse, Stefanie.

  2. Die roten Blätter sind wirklich wunderschön!
    Jersey verzeiht schon einiges, aber eher fehlende Nähkenntnisse als Figur”makel”: Die meisten T-Shirts kann ich ohne große Anpassungen nähen; sie sind dann zwar nicht perfekt, aber ganz okay. Bei einer Bluse MUSS ich zwingend vorher stundenlange Anpassungen durchführen, sonst passe ich gar nicht erst rein (ich trage einen G-Cup, der bei T-Shirts durch meinen sehr schmalen Rücken ausgeglichen wird). Und Dinge wie Ärmeleinsetzen sind viel leichter, weil man fehlende Einhalte-Fähigkeiten durch Dehnen des Stoffes kompensieren kann – sieht zwar nicht gut aus, aber funktioniert halt 😉 Gerade Nähanfängern fällt es ja nicht auf, wenn Dinge schlecht sitzen oder technisch nicht gut genäht sind, weil sie gar keinen Vergleich haben. Billige Stangenware ist ja auch nicht besser.

    • Okay, zugegeben man kommt bei Jersey irgendwie immer hinein… weshalb er bei billiger Konfektionsware vielleicht auch so beliebt ist. Nichtsdestotrotz erschließt sich mir nicht, warum Jersey gern Nähanfängern empfohlen wird. Ein Rock oder eine Hose mit Gummizug oder kastige Oberteile mit überschnittenen Schultern zum Überziehen, genäht aus Baumwolle, die unter der Nadel viel verlässlicher ist, erscheinen mir persönlich einfacher. Vielleicht da ich selbst mit japanischen Nähbüchern angefangen habe zu nähen. Lieben Gruß Manuela

  3. kann dir deine stimmung nach´m aufwachen gut nachfühlen…..
    aber so ein gesundes frühstück serviert zu bekommen hilft ja schonmal 😀
    und museumsbesuch! tschechien/böhmen ist ein sehr interessantes kulturland – gerade in sachen design sind dort zwischen 1900 und dem II.weltkrieg fantastische sachen entstanden. und selbst im sozialismus haben die nicht aufgegeben. wir waren in karlsbad in der moser-glasmanufaktur – hammer! irgendwo liegt hier auch noch ein bildband eine expressionistischen fotografen rum……. franticek drtikol (oder so ähnlich)
    @jersey: du weist ja, dass ich damit wenig anfangen kann – es sei denn tatsächlich für sport oder als schlafanzug…… dafür würde ich aber keinen aufwand betreiben – einfache t-form und -ja- offene kanten für oberteile muss da reichen 😀
    zum unterschied von heutiger kleidung zu früher – einfach nur schrecklich. die allerwenigsten menschen sehen in diesen flimsigen jerseysachen auch nur halbwegs erträglich aus……. über den rest breiten wir den mantel des schweigens – wenigstens.
    da war die klamottage früher tatsächlich gnädiger.
    O-ton BW: ” ´mor kann ruhisch verwachsn sein – ´mor mussch nur zu kleiden wissen” 😀
    danke für den doku-tip!
    xxxxx

    • Gern geschehen.
      Ja, der O-Ton des BW beschreibt in Mundart denselben Zusammenhang. Ich nenne ihn die negative K-K-Korrelation. Mehr Aufwand in die Formung und den Erhalt des Körpers, scheint mit weniger Erwartungen an Kleidung einherzugehen. Und umgekehrt. Umso mehr wir unsere Ansprüche diesbezüglich abgesenkt haben, umso höhere Maßstäbe legen wir an Körper an.
      Herzliche Grüße Manuela

      • also irgenwie kommt es mir vor, als würden auch die körper immer schlonziger….. ich hab in den über 50 jahren meines lebens nie so viele übergewichtige menschen gesehen wie in den letzten paar jahren…..

  4. Das scheint jedenfalls ein schöner Sonntag gewesen zu sein.

    Ich finde, dass sowohl Web-, als auch Strickstoffe ihre Tücken bei der Verarbeitung haben und kann daher nicht sagen, dass ich die eine Stoffart lieber, als die andere vernähe.
    Manchmal überlege ich beim Säumen eines T-Shirts zwar, ob ich mal eine alternative Saumlösung wählen soll, eine andersfarbige Naht nähe oder gar einen Zierstich verwenden soll, aber letztlich gefällt mir die simple Umschlagsnaht, Ton in Ton, einfach am besten. Mag langweilig sein, aber ich nähe das Shirt schließlich für mich und will es nicht anderen verkaufen.
    LG von Susanne

    • Ich bin schon eher Team Webstoff, fühle mich damit einfach komfortabler. Umgekehrt ist es das, was mich an Strickstoffen hin und wieder reizt. Der Widerstand des Materials. Ich finde das Ergebnis unkontrollierbarer.
      Nein, es nicht langweilig. Du hast einfach bei Saumlösungen Deinen Stil gefunden und musst nicht mehr alles mitmachen, würde ich sagen. Lieben Gruß Manuela

  5. Die Ausstellung klingt ziemlich interessant und ich hätte mich vermutlich mehrere Stunden dort aufgehalten, mit lesen und schauen. Und der rote japanische Ahorn hat gerade eine wunderschöne Farbe. Verfall kann ich dabei aber nicht erkennen, und auch nicht dahinter. Die Konstruktion deines Oberteils im Halsbereich gefällt mir gut, das muss ich mir merken. Ich mag beides, Jersey und Webware, und nähe dank Overlock auch beides gerne. Ich finde, es kommt darauf an, welche Funktion die Kleidungsstücke haben sollen. Seit einiger Zeit mag ich Blusen wieder viel lieber als T-Shirts, im Sommer sowieso. Zum Yoga und auch für die Gartenarbeit oder andere Tätigkeiten mit viel Arm-Schulter-Spielraum bevorzuge ich jedoch nach wie vor Jersey-Oberteile. Und Hosen gehen nur in Webware, auch für Pyjamas. Einzige Ausnahme ist meine Sweatpant für gemütliche Sofa-Lümmel-Abende. Li Edelkoorts Aussage trifft ziemlich zu, die Frage ist ob sie damit die Kleidung vor oder nach der Befreiung vom Korsett meinte.
    Liebe Grüße, heike

    • Leider kann ich mich nicht mehr an die Quelle erinnern, wo Li Edelkoort das sagt. Da sie sich allerdings beruflich mehr mit der Zukunft beschäftigt und Industrieunternehmen strategisch berät, vermute ich, dass mit früher die Zeit nach dem Korsett gemeint war. Allerdings macht das für mich gar nicht so einen Unterschied, weil es um die stützende Funktion von Kleidung ging, heute muss sich der Körper mehr aus sich heraus halten können. Und klar, Halt geben engt umgekehrt auch ein.
      Interessant Deine Vorliebe für das eine oder andere aus dem Bewegungsradius der Arme und Schultern zu erklären. Ich werde mal bei mir darauf achten…
      Lieben Gruß Manuela

  6. Mit etwas Verspätung lese ich deine 12von12, ein schöner, interessanter, gemütlicher Sonntag. Danke fürs Mitnehmenm. Hinsichtlich des Jersey Themas schließe ich mich Nria an. Danke für den Filmtipp, den schaue ich mir dann am besten heute an, sonst vergesse ich es noch. LG Anja

  7. Ich habe hier das Buch von Thomas von Nordheim “Vintage Couture Tailoring”, Erstausgabe 2012. Darin gibt es ein Kapitel zum Thema “Padding”, und zwar nicht nur Anleitungen für Schulterpolster. Es wurden eingefallene Rücken, schiefe Schulter etc ausgeglichen, und es gibt auch Anleitungen dafür, “if some discreet bust enhancement ist wished for”, wunderbar diskret ausgedrückt 🙂
    Mit Webware kann man den Körper besser formen, mit Jersey geht das nicht. Jersey ist gnadenlos und sieht in meinen Augen auch weniger “angezogen” aus. Wenn man den Preis mal außen vor lässt, würde ich ja Anfängern eher Wollstoffe empfehlen, oder Cord, beide lassen sich angenehmer verarbeiten als Jersey. Jersey reagiert auch empfindlicher, was die Qualität der Maschine betrifft. Ich nähe einen Großteil meiner Sachen auch gerne selber, aber ich gehe da mittlerweile auch danach, welche Mittel ich zur Verfügung habe. Ich habe weder Bandeinfasser noch Coverlock. T-Shirts können einfacher und professioneller mit solchen Profi-Maschinen hergestellt werden. Meine Versuche sind schon ok und werden getragen, aber ich mag eben die super-saubere Verarbeitung von hochwertigen T-Shirts. Von daher habe ich für mich beschlossen, mich nur noch meiner größeren Liebe, den Webstoffen + Couture-Technik (= viel mit der Hand nähen), zuzuwenden. Jersey überlasse ich gerne den Profis 🙂 LG Anne Sophie

    • Hallo Anne Sophie, schön mal wieder von Dir zu lesen.
      Das Buch klingt ja interessant, es wandert auf meine Lesewunschliste. Dank Dir für den Tipp!
      Zwar besitze ich eine Coverlock, allerdings finde ich es gar nicht so einfach darauf zu nähen. Der Besitz macht noch keinen professionellen Look, sondern es braucht einiges an Übung. Inzwischen überlasse ich Strickstoffe auch wieder zunehmend den Profis.
      By the way, da Du Cord erwähnst. Ich habe erstmals welchen gekauft und den Stoff in der Maschine vorgewaschen. Das Ergebnis erinnert an zerknittertes Zeitungspapier. Wenn Du viel mit Cord arbeitest, hast Du vielleicht eine Idee, wie man den Stoff retten kann.
      Lieben Gruß Manuela

      • Ja, ich freu mich auch, wieder dabei zu sein… ich brauchte mal eine Pause, und eh ich mich versah, war das Jahr rum 🙂
        Zu dem Cord: Das kann das passieren, wenn der Stoff chemisch ausgerüstet war, um so schön flauschig zu sein. Möglicherweise hast du ihn auch zu heiß gewaschen? 30 Grad ist gut, 40 ist fast schon zu viel. Und genau wie Samt nicht in den Trockner tun. Du kannst versuchen, ihn feucht zu machen und dann mit dem Flor zu bügeln, mit viel Dampf.
        LG, Anne Sophie

        • Ach wie lieb, dass Du nochmals geantwortet hast. Laut Etikett habe ich 100 % Cotton gekauft. Aber ich habe den Cord bei 40 Grad gewaschen und vermutlich auch bei zu hoher Drehzahl geschleudert. Ich versuche es mal mit Deinem Tipp! Angeblich soll ja auch Bügelwasser mit Krauseminze helfen.
          Herzlichen Dank.
          LG Manuela

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